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Politik: Katholische Kirche: Schlag gegen Donum Vitae?

In drei Monaten ist offiziell Schluss. Bis zum Jahresende 2000 will die deutsche katholische Kirche endgültig aus der gesetzlichen Schwangerenberatung austreten - wie es Papst Johannes Paul II.

In drei Monaten ist offiziell Schluss. Bis zum Jahresende 2000 will die deutsche katholische Kirche endgültig aus der gesetzlichen Schwangerenberatung austreten - wie es Papst Johannes Paul II. vor Jahresfrist angeordnet hatte. Auf ihrer an diesem Montag beginnenden viertägigen Herbst-Vollversammlung in Fulda beraten die Bischöfe nun gemeinsame Leitlinien für die rein kirchliche Schwangerenberatung außerhalb des staatlichen Systems. Das Bistum Fulda hatte sich bereits vor sieben Jahren aus der gesetzlichen Konfliktberatung verabschiedet. Paderborn, Speyer und Köln folgten in der ersten Hälfte dieses Jahres. Einzig der Limburger Bischof Franz Kamphaus behält sich vor, über das Jahresende hinaus in seinem Bistum gemäß den gesetzlichen Vorgaben beraten zu lassen, wenn sich keine überzeugende Alternative finde.

In den neuen Leitlinien will sich die Bischofskonferenz offenbar deutlich von der katholischen Laieninitiative Donum Vitae (Geschenk des Lebens) abgrenzen. Sie wurde vor einem Jahr gegründet, um eine katholische Konfliktberatung innerhalb des gesetzlichen Rahmens weiterzuführen. Dem Vernehmen nach planen die Oberhirten, eine gleichzeitige Mitwirkung in der kirchlichen Beratungsarbeit und bei Donum Vitae durch eine "Unvereinbarkeitsklausel" auszuschließen. Und zu Mutmaßungen, bei den deutschen Bischöfen könnte demnächst ein römisches Schreiben in Sachen Donum Vitae eingehen, ist zu hören, es sei zwar nichts angekündigt, doch sei auch nichts auszuschließen.

"Eine Art Gegenlehramt"

Diese Gerüchte werden vor allem genährt durch eine scharfe Kontroverse, die in jüngster Zeit zwischen dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und Kardinal Joseph Ratzinger ausgebrochen ist. Noch nie zuvor hat ein Kurienkardinal die deutschen Laien derart scharf angegriffen wie der 73-jährige Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Das ZdK führe sich immer mehr "als eine Art Gegenlehramt" gegen den Papst auf. Es habe in den vergangenen 20 Jahren nur wenige römische Lehrentscheide gegeben, denen "nicht prompt eine schroffe Gegenerklärung des ZdK" folgte, schreibt Ratzinger im Nachwort zu einem Buch über Demokratie in der Kirche. Dies gefalle zwar dem deutschen Selbstbewusstsein, es dürfe aber in der Kirche nicht zwei Lehren geben. Grollendes Fazit des Kardinals: "Den sich abzeichnenden Dualismus sollte man nicht weiter wuchern lassen."

Aus der Sicht Ratzingers vermischt das ZdK in unzulässiger Weise Glauben und Politik. Nahezu alle bekannteren Mitglieder des Gremiums seien prominentere Politiker, die im ZdK nicht gegen Lösungen auftreten könnten, die sie zuvor als Politiker selber beschlossen hätten, schreibt der Kardinal unter Hinweis auf die Debatte um die Schwangerenkonfliktberatung. Das ZdK verliere damit die Möglichkeit, das in der Politik Erreichte in Frage zu stellen. Es kreise zunehmend um sich selbst und beschäftige sich vorwiegend mit innerkirchlichen Streitigkeiten, anstatt das Evangelium zu den Menschen zu bringen.

Gereizt keilte die ZdK-Spitze zurück. Man kenne seit langem Ratzingers Vorbehalte gegen den innerkirchlichen Dialog, erklärte Präsident Hans Joachim Meyer. Entgegen der Einschätzung des Kurienkardinals jedoch sehe sich das ZdK nicht als Gegenlehramt, "aber es ist auch kein Akklamationsgremium". Sein Vize, der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Kues, nannte Ratzingers Äußerungen eine "gedankenlose Herabsetzung der Laien". Das abstrakte theologische Gedankengebäude des Kardinals stoße sich hart an dem sehr praxisorientierten Wirklichkeitssinn der katholischen Kirche."

Trotz dieses scharfen Wortwechsels rechnet die ZdK-Spitze nicht mit einem neuerlichen "klärenden" Schreiben aus Rom zu Donum Vitae. Käme es dennoch, wäre das für die Laienorganisation ein empfindlicher Rückschlag. Denn die Spenden für den neuen Beratungsverein fließen längst nicht so üppig wie erhofft und die meisten Bischöfe wagen keine offene Unterstützung. In dieser Situation wäre ein päpstliches Diktum, welches Donum Vitae als mit dem christlichen Anliegen des Lebensschutzes unvereinbar erklärt, vermutlich das Aus.

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