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Der FDP-Chef Christian Lindner.

© imago images/Christian Spicker

Update

Kaufmann statt Kemmerich?: CDU und FDP wollen Alternativ-Kandidaten für Thüringen

Bloß nicht Bodo Ramelow: FDP-Chef Christian Lindner bringt einen hochrangigen Juristen als Regierungschef ins Gespräch. Linke und SPD winken ab.

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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Wochenende länger mit Bodo Ramelow telefoniert, das ist bekannt. Umgehend wurde dementiert, dass sie sich nun für die Wahl des Linken-Politikers zum Thüringer Ministerpräsidenten ausspreche. Doch es gab noch ein anderes Gespräch, von Merkel und SPD-Vizekanzler Olaf Scholz mit FDP-Chef Christian Lindner.

Und hier ging es neben der Regelung des Rücktritts von Thomas Kemmerich um eine Alternative zu Ramelow.

Ramelow ist nach Einschätzung von CDU und FDP im Bund selbst inzwischen das Problem für eine gemeinsame Lösung zur Überwindung der tiefen Regierungskrise in Thüringen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte am vergangenen Donnerstag an die Grünen und die SPD den Appell gerichtet, einen Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl im Landtag zu benennen, „der das Land nicht spaltet, sondern das Land eint“.

Lindner bringt nun als eine Möglichkeit Stefan Kaufmann ins Spiel, den Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichts. Er sagt, mit einem Übergangs-Ministerpräsidenten „könnten schnell Neuwahlen herbeigeführt werden, um die Situation in Thüringen zu beruhigen“. Erpressungsversuche der Linkspartei an die Adresse von CDU oder FDP würden sicher nicht zu der notwendigen Beruhigung beitragen.

Kaufmann ist offenbar gar nicht gefragt worden

Lindner sagt nun mit Blick auf einen Übergangs-Regierungschef: „Dies könnte analog zum Modell Österreich zum Beispiel der Präsident des Landesverfassungsgerichts sein.“ Der freilich ist offenbar gar nicht vorher gefragt worden - und will nicht kommentieren, dass sein Name im Gespräch ist Lindner selbst will den Namen Kaufmann auch nur beispielhaft gemeint haben.

Der damals von der CDU vorgeschlagene Stefan Kaufmann war 2018 mit der großen Mehrheit der Abgeordneten zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshof gewählt worden - nachdem man sich zuvor monatelang nicht einigen konnte.

Vorbild Österreich

Nach dem Zerbrechen der ÖVP/FPÖ-Koalition in Österreich war für den Übergang bis zur Wiederwahl von Kanzler Sebastian Kurz eine Expertenregierung eingesetzt worden, an der Spitze stand als Kanzlerin die bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichts, Brigitte Bierlein.

Ramelow will sich im Landtag nach dem Rücktritt des mit Stimmen von AfD und CDU gewählten FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich erneut zur Wahl stellen. Da Linke, SPD und Grüne aber nur 42 von 90 Stimmen im Erfurter Landtag haben, braucht er Unterstützung von CDU und/oder FDP. Um ein erneutes Debakel zu verhindern, will er möglichst vor dem ersten Wahlgang eine Garantie haben, dass er mit einer absoluten Mehrheit rechnen kann.

Ramelow hat zugesagt, den Weg für eine Neuwahl zu bereiten. Die muss er anders als CDU und FDP nicht fürchten: Laut einer Umfrage von infratest-dimap für den MDR würde die Linkspartei dort auf 39 Prozent zulegen. Die AfD könnte sich leicht auf 24 Prozent verbessern. Dagegen würden die CDU auf 13 und die FDP auf vier Prozent abstürzen. Die Grünen bekämen fünf, die SPD zehn Prozent. Rot-Rot-Grün hätte dann also sogar wieder eine eigene, deutliche Mehrheit.

Tiefensee: Ich unterstütze Ramelow

Auch die CDU ist bisher gegen eine Unterstützung Ramelows, zumal die Bundes-Partei weiter jede Kooperation mit AfD wie Linkspartei ausschließt. Am Montag wollen Linke, SPD, Grüne und CDU in Erfurt miteinander ausloten, was ginge. SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee betont: „Ich unterstütze die Wahl des Abgeordneten Ramelow zum Ministerpräsidenten.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Bundestagsfraktion, Jan Korte, spricht von Versuchen, einen Keil ins rot-rot-grüne Lager zu treiben, ein Verzicht auf die Ramelow-Kandidatur sei „lächerlich“.

Thüringens Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow sagt dem Tagesspiegel: „Die Thüringerinnen und Thüringer wollen Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten. Er ist der beliebteste Politiker unter den Anhängern aller demokratischen Parteien. Das ist überdeutlich." FDP und CDU müssten „ihr Dilemma selbst klären und nicht weiter versuchen, sich aus ihrer Verantwortung herauszuwinden.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, appelliert dennoch an SPD und Grüne, einen Alternativkandidaten zu präsentieren. Es gehe um eine Persönlichkeit, die „Übergang gestalten kann, das Land nicht spaltet“. Natürlich habe man mit der Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen einen Fehler gemacht. Aber auch Ramelow habe einen „kapitalen Fehler“ gemacht und die „Machtspielchen der AfD“ erst ermöglicht, indem er trotz fehlender Mehrheiten im Landtag einfach eine rot-rot-grüne Koalition verabredet und die Ministerpräsidentenwahl angesetzt habe.

In Erfurt ist vor allem die CDU ohnehin schon angefressen über die Interventionen und Wortmeldungen aus Berlin. Vor allem über Kanzlerin Merkel, die erst auf einer Südafrika-Reise gefordert hatte, das Ergebnis mit der Kemmerich-Wahl („unverzeihlich“) müsse rückgängig gemacht werden, und dann vom Kanzleramt aus daran arbeitete.

Ramelow will DDR nicht „Unrechtsstaat“ nennen

Als Argument gegen eine Wahl von Ramelow wird bei CDU und FDP angeführt, dass die Linke aus der PDS entstanden ist, die wiederum Nachfolgepartei der SED ist. Der gebürtige Westdeutsche Ramelow selbst hatte die DDR als Diktatur bezeichnet, „die vielen Menschen Schlimmes angetan hat“. Den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR lehnt er aber ab. Dieser sei eine „juristische Kategorie, die Fritz Bauer, der mutige Jurist hinter den Auschwitz-Prozessen, in den 1960er Jahren für den NS-Staat prägte“.

Nach Darstellung von Petra Pau, Parlamentsvizepräsidentin der Linken, setzt sich ihre Partei seit Jahren intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinander. Pau erinnerte am Dienstag daran, dass sich die PDS 2001 für die Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der DDR entschuldigt habe. Die Formierung der SED auf dem Parteitag am 21./22. April 1946 wurde „auch mit politischen Täuschungen, Zwängen und Repressionen vollzogen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der damaligen PDS-Bundesvorsitzenden Gabi Zimmer und der damaligen Berliner Landeschefin Pau.

Die dritte Variante neben Ramelow und einem anderen Kandidaten wäre die Auflösung des Landtags mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Dann bliebe aber der zurückgetretene Kemmerich geschäftsführend im Amt bis zur Neuwahl, was Ramelow nicht will. Damit nähme man mindestens 70 Tage in Kauf, in denen es keine handlungsfähige Landesregierung gebe. Das sei staatspolitisch verantwortungslos, sagt Ramelow.

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