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Politik: Kein Kuschelkurs

Angela Merkel spricht mit Wladimir Putin über Energie und deren zuverlässige Lieferung

Es wird wohl kurz, aber hart zur Sache gehen, wenn Angela Merkel als amtierende EU-Präsidentin von Russlands Präsidenten Wladimir Putin in dessen Schwarzmeerresidenz bei Sotschi empfangen wird. Merkel trifft erst am Sonntagnachmittag ein, und eine Übernachtung ist bisher nicht vorgesehen.

Es geht – wieder einmal – um Energie. Das Thema langfristige Lieferbeziehungen werde bei dem Treffen eine wichtige Rolle spielen, kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag an. Zuletzt hatte zum Jahresbeginn der Öl- und Gaskrieg, den sich Russland als Exporteur und Weißrussland als Transitland lieferten, Westeuropa nicht nur ein weiteres Mal die eigene Abhängigkeit von russischen Energielieferungen vor Augen geführt. Er zeigte erneut, dass Russland seine Interessen durchzusetzen willens und in der Lage ist. Denn die „Friedensverhandlungen“, um die der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko seinen russischen Amtskollegen per Telefon bat, weil Moskaus Wirtschaftsministerium drohte, weißrussische Importe künftig mit Einfuhrzöllen zu belegen, endeten mit der bedingungslosen Kapitulation Minsks.

Hohe Preise für Öl und Gas, das Monopol für die Durchleitung von Importen aus Zentralasien und beschlossener Beitritt zur Welthandelsorganisation, die Russland zu einem internationalen Machtfaktor machen, könnten Putin in Versuchung führen, auch mit den USA, vor allem aber mit Brüssel aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Umso mehr, da hiesige Kolumnisten den EU- Staaten die Fähigkeit zu einer gemeinsamen Außenpolitik absprechen und sich durch diverse Alleingänge in dieser Ansicht bestätigt sehen.

Es geht dabei nicht nur um die Sondermeinung Polens und der Baltenstaaten zu der umstrittenen Ostseepipeline, sondern auch um die Beteiligungen am lukrativen Geschäft mit den Endkunden, die Frankreich und Italien dem staatsnahen russischen Monopolisten Gasprom zubilligten. Denn dies hatte Brüssel eigentlich nur genehmigen wollen, wenn Moskau im Gegenzug die schon 1994 unterzeichnete Europäische Energiecharta und vor allem die dazugehörigen Transitprotokolle unterzeichnet hätte. Denn diese zwingen Russland, sein Pipelinesystem für Drittstaaten zu öffnen.

Statt in dieser Frage aber einen Kompromiss mit Brüssel zu suchen, schlug Putins Sherpa für EU-Beziehungen, Sergej Jastrschembski, schon während der finnischen Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr vor, Moskau sollte sich besser mit den 27 Mitgliedern bilateral arrangieren. Merkel, die, wie hiesige Experten fürchten, bei Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag Russland-EU auf härtere Erfüllungsgarantien bei Energielieferungen drängen wird, muss Putin daher überzeugen, dass die EU mehr als eine Freihandelszone ist, und sie nicht nur im Namen ihrer Mitglieder spricht, sondern in der Praxis auch deren volle Rückendeckung hat.

Das gilt auch für die EU-Außenpolitik, wo die Schnittmengen mit Moskau derzeit klein sind, sowie beim Thema russische Demokratiedefizite. Bei Letzterem, glaubt Andrej Illarionow, Putins Ex-Wirtschaftsberater und nun einer seiner schärfsten Kritiker, könne sich der Kremlchef aber entspannt zurücklehnen. Lange habe der Westen Russlands Sonderweg zur Demokratie als Kinderkrankheit einer Übergangsgesellschaft verharmlost. Inzwischen, mutmaßt Illarionow, habe man in Brüssel wie in Washington keine Illusion mehr, dass Russland sich für die Rückkehr zu einem autoritären Staatsmodell entschieden habe. Daher schenke der Westen sich jede Kritik und gehe dafür auf Distanz.

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