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Ein Mann läuft über den ansonsten menschenleeren Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.

© AFP/

Kein Lockdown im Denken: Im Covid-Kampf muss auch mit den kritischen Köpfen gesprochen werden

Wir kommen nicht weiter, sondern taumeln von Einschränkung zu Einschränkung. Und die wichtigste Frage ist nach dem Corona-Gipfel noch offen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und weiter im Lockdown. Wir kommen nicht voran, wie es die Kanzlerin will, verzeichnen keinen Erfolg im Kampf gegen die Corona-Pandemie, sondern taumeln von Einschränkung zu Einschränkung. Die jüngsten Beschlüsse gehen dennoch nicht ganz so weit, wie die Null-Covid-Vertreter vorgeschlagen haben.

Jetzt wird es über das „Wie weiter“ erst einmal Mitte Februar. Und dann? Kommt bald Ostern, so lange kann man es doch auch noch aushalten, oder? Oder vielleicht gleich bis Sommer. Wobei der Sommer bis zum 22. September geht, kurz darauf sind Wahlen, und anschließend kommt die nächste Grippewelle, was bedeutet...

Kein Wunder, dass es mit der Akzeptanz schwieriger wird in der Gesellschaft: Die Politiker wissen es auch nicht besser. Sie tun nicht einmal mehr so, als ob. Was einerseits ganz gut ist – weshalb sie aber andererseits kritische Einwände andersdenkender Epidemiologen nicht mehr gerne hören. Klaus Stöhr zum Beispiel, der von den 50er-Inzidenzen nichts hält. Und der, ehedem bei der WHO Sars-Koordinator, bestimmt kein Corona-Leugner oder -Lügner ist.

Bleibt am Ende nur die China-Strategie?

Diese wichtige Frage ist nach dem jüngsten Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsident:innen im Grunde noch immer offen: Was ist am Ende das Ziel? Im Frühjahr war es das, die Verbreitung des Virus im Griff zu behalten, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht. Was jetzt immer drängender angesprochen wird, ist aber mehr: die Beseitigung des Virus.

Für Inzidenzen noch unter 50, unter 25, sogar unter zehn müssten wir wahrscheinlich bei der China-Strategie landen. Wenn da irgendwo was ausbricht, wird die Gegend komplett isoliert. Wochenlang Quarantäne, ganz hart, kein Fuß vor die Tür, und die Sicherheitskräfte patrouillieren. Geht das hier überhaupt, rechtlich? Und wenn: Halten wir das durch? Das sind die Themen, ehrlicherweise.

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Gerald Hüther ist Gehirnforscher. Merkel schätzt ihn sehr. In seinem neuen Buch, gerade in der Pandemie erschienen, zeigt er anhand der Funktionsweise des Gehirns, wie unsere Selbstheilungsfähigkeit durch liebloses Verhalten unterdrückt wird; Lieblosigkeit zumal in unserer von ökonomischen Zwängen beherrschten Welt. Dadurch werden immer mehr Menschen nicht nur seelisch, sondern auch körperlich krank. Will sagen: Wehe für die gesamte Gesellschaft, wenn die Kosten steigen, wirtschaftlich, seelisch.

Ehe das Koordinatensystem jetzt grundlegend verändert wird, ist doch wohl nur richtig, über einen Neustart zu reden, oder? Beim nächsten Mal, mit allen, die etwas dazu zu sagen haben, auch den kritischen Köpfen. Ein Lockdown des Denkens hilft nämlich schon mal ganz sicher nicht.

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