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Politik: Kein Rücktritt nach dem Fehltritt

Ungarns Regierungschef löst mit Lügen-Geständnis schwere Unruhen aus – doch er will im Amt bleiben

In der ungarischen Hauptstadt Budapest ist es zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany hatte in einer geheimen Rede Wahllügen zugegeben. Die Rücktrittsforderungen der Opposition weist er jedoch zurück. Gyurcsany verurteilte die gewaltsamen Proteste. Die Randalierer würden hart bestraft, verkündete er am Dienstag im ungarischen Fernsehen. Acht Personen sind bereits festgenommen worden, während die Polizei weiterhin nach Beteiligten fahndet.

Bei den gewaltsamen Zusammenstößen in der ungarischen Hauptstadt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften wurden 125 Menschen verletzt, davon 100 Polizisten. Zeitweise besetzten die Demonstranten das Gebäude des nationalen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders MTV und zündeten es an. Die zahlenmäßig unterlegenen Polizeikräfte konnten sich nicht gegen die Wut der aufgebrachten Demonstranten wehren.

Die Polizei sei auf eine friedliche Kundgebung eingestellt gewesen, sagte Justizminister Joszef Petretei. Sie habe die Demonstration nicht auflösen wollen, weil in Budapest während der Stadtparlamentswahlen ohne Genehmigung demonstriert werden darf. Die Sicherheitskräfte seien von der Gewaltbereitschaft der Demonstranten überrascht gewesen. Unter den Demonstranten befanden sich aber nach Aussagen von Offiziellen bekannte Hooligans und Rechtsextreme. Das Rücktrittsgesuch Petreteis wies Ministerpräsident Gyurcsany jedoch zurück.

Anlass der Proteste war die Ausstrahlung einer Rede von Ministerpräsident Gyurcsany am Sonntagabend im ungarischen Rundfunk. Dieser hatte in einer geheimen Rede vor seiner sozialistischen Partei zugegeben, dass sie während ihrer Regierungszeit nichts erreicht hat. „Wir haben nicht mehr viele Möglichkeiten, weil wir versagt haben“, sagte er vor seiner Fraktion. „In den vergangenen Jahren haben wir nur gelogen.“ Er habe seinen Wählern vor der Wahl verschwiegen, dass seine Regierung eine strikte Sparpolitik verfolgen würde. Gyurcsanys Linkskoalition war erst im Frühling in ihrem Amt bestätigt worden.

Das rief die rechte Opposition auf den Plan. Am Montag marschierten mehrere hundert radikale Oppositionelle vor dem Parlamentsgebäude auf. Nach einiger Zeit zogen sie weiter vor das Gebäude des Fernsehsenders MTV, wo die Situation außer Kontrolle geriet. Die Demonstranten zündeten Autos an und schlugen Scheiben ein. Ein harter Kern von ungefähr 30 Personen versuchte, in das Gebäude einzudringen, was ihnen auch gelang. Zunächst gelang es den Sicherheitskräften, die Demonstranten abzuwehren. Doch nach Mitternacht gelang es einigen Personen, in das Gebäude des Fernsehsenders einzudringen. Darauf stellte MTV seine Sendungen auf beiden Kanälen ein.

Peter Szijjarto, der Sprecher des rechts-konservativen Oppositionsbündnisses Fidesz, machte Ministerpräsident Gyurcsany verantwortlich für die Ereignisse. Er rief die Anhänger der Opposition zu weiteren Protesten auf, jedoch „nur im Rahmen von Verfassung und Demokratie“.

Am Dienstagnachmittag versammelten sich erneut mehr als tausend Personen vor dem Parlamentsgebäude und führten die Proteste weiter. Sie stellten einen Sarg auf mit dem Bild des Ministerpräsidenten und seines Koaltionspartners Gabor Kuncze und forderten den Rücktritt der beiden Politiker. „Wir begraben die Regierung von Gyurcsany“, skandierten die Demonstranten. „Für euch wird es keine Auferstehung geben.“

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