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Politik: „Kein Schlussstrich“

Die Stasi-Überprüfungen werden verlängert, aber nur für einen eingeschränkten Personenkreis

Von Matthias Schlegel

Berlin - Es wird in Zukunft keine generellen Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst mehr geben. Die Koalitionsparteien haben sich am Donnerstag aber darauf geeinigt, dass in einem novellierten Stasi-Unterlagengesetz die Möglichkeit zur Überprüfung eines „eingeschränkten Personenkreises“ für weitere fünf Jahre erhalten bleibt. Das teilten am Donnerstag Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse für die SPD-Bundestagsfraktion und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Arnold Vaatz (CDU) für die Union mit.

Fallen gelassen wurde die in der ursprünglichen Novellierung vorgesehene Absicht, dass Überprüfungen nur bei einem begründeten Verdacht stattfinden sollten. Ebenso wird der im ersten Novellierungsentwurf enthaltene Passus gestrichen, wonach ehemaligen Stasi-Mitarbeitern künftig im Rechtsverkehr ihre Kooperation mit dem DDR-Geheimdienst nicht mehr vorgehalten werden dürfe. Somit wird die von Kritikern des ursprünglichen Gesetzentwurfs befürchtete Prozesslawine, mit der ehemalige Stasi-Leute sich auf juristischem Wege hätten reinwaschen können, zunächst vermieden.

Thierse und Vaatz „bekräftigen“ im Namen ihrer Fraktionen, dass mit der Neuregelung des Gesetzes „kein Schlussstrich unter die Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Herrschaftsmechanismen gezogen“ werde. Auch die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, begrüßte den Kompromiss. Sie sei „sehr erleichtert“, weil ihr am wichtigsten gewesen sei, dass „die Möglichkeit von Überprüfungen auf frühere Stasi-Tätigkeit nicht ersatzlos zum Jahresende ausläuft“. Das verwundert insofern ein wenig, als der ursprüngliche Entwurf aus dem Hause Birthler vom Frühjahr jenen Vorschlag enthielt, künftig Überprüfungen nur noch im konkreten Verdachtsfall durchführen zu lassen. Nach heftigen Protesten aus Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen hatte sich vor anderthalb Wochen die Union von diesem ersten Entwurf, den sie anfangs mitgetragen hatte, distanziert. Daraufhin hatten SPD und Union einen neuen Kompromiss gesucht.

Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) begrüßte nun die Einigung in der großen Koalition. Das sei eine „vernünftige und tragfähige Lösung“, sagte Althaus dem Tagesspiegel. Es bedeute, dass es keinen Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung gebe. „Damit hat sich der Einsatz Thüringens im Interesse der Stasi-Opfer gelohnt“, sagte Althaus. Thüringen werde im Bundesrat diese Konsenslösung unterstützen. Das Land hatte im Bundesrat einen eigenen Gesetzentwurf initiiert, der eine weiter gehende Regelung vorsah. So sollte die generelle Regelüberprüfung im öffentlichen Dienst um fünf Jahre verlängert werden.

Der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, Horst Schüler, kritisierte, dass künftig nur noch Personen in Führungsfunktionen überprüft werden können. Nach seinem Verständnis könne ein Politiker weniger Schaden anrichten „als ein Lehrer, der Schülern Ideologie einträufelt“. Das sei eine für das Gemeinwohl viel gefährlichere Situation, sagte Schüler dem Tagesspiegel. Auch das Leipziger Bürgerkomitee reagierte reserviert. Es ergebe sich eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung: Wer bisher enttarnt worden sei, habe Pech gehabt, wer bis 2007 nicht enttarnt ist, hat Glück gehabt. Regelüberprüfungen im öffentlichen Dienst müssten möglich sein, bis alle Stasi-Akten ausgewertet seien.

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