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Politik: Kein Umfaller, nirgends

Die Opposition spricht nach der EU-Erklärung von Kehrtwende – die Koalition fühlt sich bestätigt

Von Hans Monath

Es schien, als sei über Nacht der Frieden über jene deutschen Außenpolitiker gekommen, die sich wochenlang eine heftige Fehde über den richtigen Irak-Kurs und die Zukunft Deutschlands im internationalen System geliefert hatten: Einmütig feierten Koalition und Opposition am Dienstag die gemeinsame EU-Erklärung vom Abend zuvor. Doch was Union und FDP wegen der Akzeptanz von Gewalt als letztem Mittel als Umfallen hin zum richtigen Kurs begrüßten, beschrieben die Regierungsparteien als großen Erfolg des eigenen Friedenskurses: kein Umfallen, nirgends.

Zwar dürfte den Kabinettsmitgliedern am Dienstag klar gewesen sein, dass die Chancen für eine Friedenslösung für den Irak auch nach der Brüsseler Erklärung noch immer höchst ungewiss sind. Doch in den Reihen von SPD und Grünen war große Erleichterung darüber zu spüren, dass die Einheit Europas gewahrt und damit der Druck auf die US-Regierung gestiegen war, die eigenen Interventionspläne vor der Öffentlichkeit zu begründen. Als weit wichtiger als das Gewalt-Bekenntnis („letztes Mittel“) zur Entwaffnung des Irak gelten Koalitionspolitikern der Verweis auf den Friedenswillen der Völker Europas, der Vorrang der Inspektionslösung und der Verzicht auf eine konkreten Frist für das Ende diplomatischer Bemühungen. Dem umstrittenen Satz kommt in der Interpretation der Regierungsparteien insgesamt eher deklamatorischer Charakter zu.

Fragen nach einem Kurswechsel, wie ihn die Opposition unterstellt, wurden am Dienstag aus der Koalition mit Bekenntnissen beantwortet: „An unserer Haltung ändert sich nichts“, versicherte etwa SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. In der Fraktionssitzung der Grünen, in der Außenminister Fischer den Erfolg vom Vorabend erläuterte, wurde ein Artikel der US-Zeitung „USA Today“ herumgereicht, der die EU-Erklärung als „Sieg für Frankreich und Deutschland“ wertet – eine Einschätzung, die sich öffentlich so kein Spitzenpolitiker der Koalition zu eigen machte.

Die Erklärungen der Opposition klangen dagegen wie Beschwörungsversuche, die den Kanzler heimholen sollten von einem Irrweg, den er nach Kritiker-Meinung mit seinem kategorischen Nein zum Militäreinsatz beschritten hat. Schon die deutsch-französisch-russische Erklärung hatte eine ähnliche Gewalt-Formulierung wie der Brüsseler Text enthalten. Doch erst die EU-Einigung nahmen Union und FDP zum Anlass, gemeinsam das Ende der Isolation auszurufen.

Wenig zu hören war von der Koalition zur der Frage, ob nicht erst der US-Militäraufmarsch jene friedliche Abrüstung garantieren kann, die Europa nun fordert. Nur Daniel Cohn-Bendit, mit anderen Grünen aus dem EU-Parlament zu Gast in der deutschen Partnerfraktion, würdigte am Rand der Sitzung das Drohpotenzial. Die US-Soldaten sollten an der Grenze Iraks bleiben, forderte er: „Sie gehen nicht rein und gehen nicht weg.“ Die EU, so regte Cohn-Bendit an, solle im kommenden halben Jahr die Hälfte der Kosten übernehmen.

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