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Politik: Keine Auskunft

Im Hamburger Terrorprozess herrscht Verwirrung – zugunsten des Angeklagten. Mzoudi bleibt frei, entscheidet der Bundesgerichtshof

Von Frank Jansen

Die Stimmung ist gereizt, Richter und Ankläger wirken angespannt. Der Prozess gegen den Terrorverdächtigen Abdelghani Mzoudi hat am Donnerstag nicht die vom Hamburger Oberlandesgericht gewünschte Schlussphase erreicht, sondern einen toten Punkt. Die Anwälte der Nebenkläger schütteln die Köpfe. Verteidiger Michael Rosenthal und seine Kollegin Gül Pinar demonstrieren die Kunst des Lächelns, von gequält bis spöttisch. Nur Mzoudi, der laut Anklage die Attentäter des 11. September unterstützt haben soll, bleibt nahezu reglos. Einem Anwalt der Nebenklage fällt nur noch ein Kalauer ein, um den aktuellen Stand zu beschreiben: „Das Verfahren ist verfahren.“

Es herrscht vor allem Verwirrung. Erstes Beispiel: Der Senat hat vergangene Woche Mzoudi auf freien Fuß gesetzt, nachdem das Bundeskriminalamt ein Fax mit den Angaben einer anonymen „Auskunftsperson“ geschickt hatte, die Mzoudi zu entlasten scheinen. Für den Senat nun ein Anlass, dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu folgen. Doch diese Haltung wirkt widersprüchlich: In einem weiteren Beschluss begründet der Senat seine Zweifel jetzt auch mit der Zeugenaussage des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Dieser hatte im Oktober angegeben, die Anschläge des 11. September seien nicht, wie es in der Anklage steht, Anfang 1999 in Hamburg geplant worden, sondern später in Afghanistan. Doch nach Fromms Auftritt hatte der Senat behauptet, Mzoudi sei weiterhin „hochwahrscheinlich“ schuldig. Hat der Senat damals Zweifel unterdrückt? Und Mzoudi unnötig weitere Wochen in U-Haft behalten?

Zweites Beispiel. Am Donnerstag tritt der BKA-Abteilungsleiter Jürgen Maurer auf, der das Fax unterschrieben hat, das zur Freilassung Mzoudis führte. In dem Schreiben wird die „Auskunftsperson“ – vermutlich der von den Amerikanern festgehaltene Ramzi Binalshibh – mit der Aussage zitiert, die Hamburger Terrorzelle habe nur aus vier Personen bestanden. Mzoudi wird nicht genannt. Maurer räumt ein, diese von einem „ausländischen Staat“ – es muss sich um die USA handeln – übermittelten Angaben seien potenziell entlastend. Das BKA halte sie aber nicht für entlastend. Außerdem gebe es mehr Informationen, die Mzoudi belasten. Diese könne man aber nicht weitergeben. Trotz alledem hat das BKA dem Gericht die offenkundig missverständlichen Äußerungen zur Verfügung gestellt, damit es selbst eine Wertung vornehmen könne. Doch das Motiv des BKA bleibt unklar. Es wird auch nicht erklärt, warum die USA offenbar ausnahmsweise von ihrer Haltung abgewichen sind, Angaben über Verhöre festgehaltener Al-Qaida-Terroristen zur Verwendung in einem deutschen Prozess freizugeben. Zumal der Wert der Angaben zweifelhaft erscheint.

Drittes Beispiel. Die Bundesanwaltschaft beharrt weiterhin auf Mzoudis Schuld und bombardiert am Donnerstag den genervten Senat mit Beweisanträgen. Bei einigen bleibt allerdings unklar, ob sie beweiskräftig sind. So beantragt die Bundesanwaltschaft, einen Londoner Telefoningenieur als Zeugen zu hören, der Ende 2001 einen Anwahlversuch aus Afghanistan bei einem Mobiltelefonanschluss registriert hat, der „dem Angeklagten zuzuordnen ist“. Der Versuch dauerte nur sieben Sekunden und die Bundesanwaltschaft kann lediglich vermuten, dass die Terroristen Said Bahaji, Zacarias Essabar oder Ramzi Binalshibh anrufen wollten. Dennoch gilt das Telefonat als „ein weiteres Indiz für die enge Einbindung des Angeklagten in die in Hamburg bestehende terroristische Vereinigung“. Kopfschütteln im Gerichtssaal.

Unklar bleibt auch, wie es jetzt weitergeht. Der Bundesgerichtshof hat am Freitag die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen die Freilassung verworfen. Die Bundesanwaltschaft hat aber erneut beantragt, Mzoudi wieder in U-Haft zu nehmen. Der Senat lässt offen, wann er darüber entscheidet.

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