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Politik: Keine innerbayerische Angelegenheit mehr: Großer Chor statt Solo für Strauß

Wir wissen nicht sicher, ob er Manna im Himmel genießen darf oder tief in der Hölle schmoren muss. Aber wir können uns natürlich zusammenreimen, was er dächte, würde er sehen, was sich da mittlerweile ereignet, wenn sein Geist einmal im Jahr durch die deutsche Politik weht.

Wir wissen nicht sicher, ob er Manna im Himmel genießen darf oder tief in der Hölle schmoren muss. Aber wir können uns natürlich zusammenreimen, was er dächte, würde er sehen, was sich da mittlerweile ereignet, wenn sein Geist einmal im Jahr durch die deutsche Politik weht. Eine abstinenter Jurist als Nachfolger in der Nibelungenhalle und - man darf nicht dran denken - grüne Spinner und sogar Kommunisten in der Nachbarschaft! Und Ableger überall, sogar in Preußen oder in Ortschaften wie Kassel-Lohfelden, wo in diesem Jahr ein SPD-Politiker namens Hans Eichel redete, dessen Rhetorik als deftig zu bezeichnen irgendwie abwegig klänge. Nein, der politische Aschermittwoch ist nicht mehr, was er mal war. Damals, als Franz Josef Strauß von Niederbayern aus die Donnerstags-Schlagzeilen noch allein bestimmen durfte.

Erfunden hat er ihn freilich nicht, den alljährlichen Politik-Auftrieb am Tag nach Fasching. Als Strauß 1953 zum ersten Mal als CSU-Redner bei dem von Bierdunst, Blasmusik und Stumpenrauch begleiteten Spektakel im niederbayerischen Vilshofen auftrat, war die Tradition schon etabliert. Damals war es als eine Redeschlacht angelegt mit der weiß-blauen Konkurrenz von der Bayernpartei, die fünf Jahre zuvor wiederbelebt hatte, was zwischen 1919 und 1933 der Bayerische Bauernbund pflegte: Anlässlich des Vilshofener Aschermittwoch-Viehmarkts die anwesenden Landwirte und Viehhändler in die politische Großwetterlage einzuweisen. Zur Legende des Politischen Aschermittwochs gehört, dass in Straussens jungen Jahren noch die Kontrahenten jeweils Spione im Saal der anderen postierten, um möglichst schnell parieren zu können.

Bis 1975 donnerte Strauß im "Wolferstetter Keller" in Vilshofen, dann zog die CSU - wegen der großen Nachfrage - in die Nibelungenhalle in Passau. In Vilshofen versucht seither die SPD mitzuhalten. Schon zu Straußens Lebzeiten war die FDP mit ihrem sächselnden Außenminister im Bayerischen vor Ort. Auch die Grünen machen mit, seit sie zu den etablierten Parteien zählen. Hauptsächlich jedoch außerbayerisch im oberschwäbischen, aber genauso schwarzen Biberach. In Passau, im Kabarett "Scharfrichterhaus", klopft nun Gregor Gysi revolutionäre Sprüche. Höhepunkt aber bleibt der Auftritt des jeweiligen CSU-Chefs, der in Passau immer an jenem Tag außer sich geraten muss, wenn der gewöhnliche Christenmensch in sich geht und zu fasten beginnt.

afk

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