zum Hauptinhalt
Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, und der britische Premier Boris Johnson (am 9.12.2020 in Brüssel)

© dpa/PA Wire/Aaron Chown

Keine Kontrollen an irisch-nordirischer Grenze: EU lenkt ein im Impfstoffstreit mit Großbritannien

Im Konflikt um knappe Impfstoffe will die EU Exporte stärker kontrollieren. Nordirland sieht einen „Akt der Feindschaft“. Von der Leyen glättet die Wogen.

Im Impfstoffstreit mit Großbritannien hat die EU versucht, die Wogen wieder zu glätten. „Konstruktive Gespräche mit Premierminister Boris Johnson“, twitterte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht zum Samstag. „Wir sind uns im Prinzip einig geworden, dass es keine Beschränkungen beim Export von Impfstoffen durch Unternehmen geben soll, wenn diese ihre vertraglichen Pflichten erfüllen.“

Als Reaktion auf massive Lieferkürzungen des Impfstoffherstellers Astrazeneca will die EU künftig stärker überwachen, wohin wie viel in der EU produzierter Impfstoff exportiert wird. In einer ersten Erklärung klang es jedoch, als wollte Brüssel für dieses Vorhaben an der irisch-nordirischen Grenze Kontrollen durchführen und damit einen Notfallmechanismus des sogenannten Nordirland-Protokolls aktivieren.

Der offenbar weder mit Dublin noch mit London abgestimmte Schritt rief helle Empörung in Großbritannien und vor allem in Nordirland hervor. Die EU wollte sich mit diesem Schritt wohl davor schützen, dass über Nordirland als Hintertür doch unreguliert Impfstoffdosen nach Großbritannien gelangen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben nur eine einzige Landgrenze, sie verläuft zwischen dem EU-Mitgliedsland Irland und der britischen Provinz Nordirland. Im Zuge der Brexit-Verhandlungen wurde jedoch vereinbart, dass an dieser Grenze keinesfalls Kontrollen stattfinden sollen, um den zerbrechlichen Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion Nordirland nicht zu gefährden.

[Mehr über den Streit um den Impfstoff von Astrazeneca können Abonnenten von T+ hier lesen: Streit zwischen Brüssel und Astrazeneca – War die EU zu blauäugig?]

Erst am späten Freitagabend lenkte die EU-Kommission ein und versprach in einer Mitteilung, bei ihren Exportkontrollen von Impfstoffen das Nordirland-Protokoll „unberührt“ zu lassen. Man werde die Schutzmaßnahmen-Klausel des Protokolls nicht aktivieren. Der Streit hatte sich in den Stunden zuvor zur diplomatischen Krise zwischen London und Brüssel entwickelt. Boris Johnson sprach von „schwerer Besorgnis“, Nordirlands Regierungschefin Arlene Foster sogar von einem „Akt der Feindlichkeit“. Trotz des schnellen Zurückruderns der EU dürften die Vorgänge ihre Spuren in den ohnehin angespannten Beziehungen beider Seiten hinterlassen und das Ringen um die kostbaren Corona-Vakzine nicht einfacher machen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die zuvor mit Johnson telefoniert hatte, twitterte außerdem, sie habe sich mit dem irischen Premier Micheal Martin auf einen „zufriedenstellenden Weg“ für die Überwachung der Impfstoffexporte geeinigt. Weitere Details sollten im Laufe des Samstag bekanntgegeben werden. (dpa)

Zur Startseite