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Politik: Keine Lust auf die Meute

Der ehemalige US-Präsidentschaftsbewerber Al Gore will in zwei Jahren nicht wieder gegen George W. Bush antreten

Von Friedemann Diederichs,

Washington

Am Abend vor dem Rückzug erlebten die US-Bürger einen Al Gore, den sie bis dahin stets vermisst hatten: Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten war locker, humorvoll, gelöst und zog sich in der beliebten Samstagabend-Show „Saturday Night Live“ als witziger Gast-Moderator selbst immer wieder durch den Kakao. Nur 24 Stunden später wusste man, warum es einen „anderen“ Gore gegeben hatte: Er kündigte überraschend an, im Jahr 2004 nicht wieder gegen George W. Bush als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

Offensichtlich ist der familien- und umweltorientierte Demokrat erleichtert, es nicht mehr mit einer amerikanischen Medienmeute aufnehmen zu müssen, die oft nur seine Dauer-Suche nach einem öffentlichen Image hervorhob. Nun ist der Boden bereitet für eine politische Wiederauferstehung der Demokraten, die nach dem Rückzug Bill Clintons aus der aktiven Politik weiter nach einem prominenten Aushängeschild suchen. Diese Schwäche wurde beim niederschmetternden Ergebnis der Kongress-Zwischenwahlen im vergangenen Oktober deutlich.

Immerhin hatte es Gore aber bei den Präsidentschaftswahlen vor gut zwei Jahren geschafft, mehr Stimmen – immerhin eine halbe Million – als sein Gegner zu bekommen und dennoch am Ende auf Grund des für Europäer schwer nachvollziehbaren Wahlmänner-Systems zu verlieren. Das Nachzähl-Drama von Florida, abgeschlossen durch eine umstrittene Fünf-zu-Vier-Entscheidung des konservativ dominierten Obersten Gerichtshofs, besiegelte dann sein Schicksal und legte bereits ein Prädikat für die Geschichtsbücher fest: Der unglücklichste Verlierer der US-Geschichte.

Dennoch fällt der 54-Jährige heute nicht in ein tiefes Loch. Während seine Partei ihm zugute halten wird, den Weg rechtzeitig für einen Neuanfang frei gemacht zu haben und damit einer ganzen Reihe von möglichen Bush-Gegenkandidaten wie John Kerry, Tom Daschle, John Edwards oder dem einstigen Vize-Präsidentschaftskandidaten Joe Lieberman den Weg gebahnt zu haben.

Sorgen um seine Publicity muss sich Gore aber nicht machen: Gerade hat er mit seiner Frau Tipper eine politische Biografie veröffentlicht, die zeitlich haargenau zum politischen Schlussstrich passt. Das Buch könnte erfolgreich werden wie sein Öko-Bestseller „Earth in the balance“, in dem sich Gore dem Problem der globalen Erwärmung widmete.

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