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In Homs sind viele Häuser zerstört. Auch die fast dreijährige Sumeela stammt daher. Nach Deutschland darf sie nicht reisen. Die Botschaft hält sie für eine Terroristin.

© AFP

Keine Visa für Bürger aus Syrien: Die dreijährige Terroristin

Sumeela darf nicht nach Deutschland reisen. Die Botschaft sagt, die Syrerin bedrohe die öffentliche Sicherheit. Im Juli wird Sumeela drei Jahre alt. Ein Beispiel deutscher Visapolitik.

Sumeela A. soll eine Verbrecherin sein, eine Gefahr für die innere Sicherheit der EU. Deutschlands Botschaft in Beirut will sie vorgeblich deshalb nicht von Syrien nach Deutschland reisen lassen. Im Juli wird Sumeela drei Jahre alt. Sie ist ein Beispiel deutscher Visumspolitik in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs.

Bereits Anfang Januar hatten Sumeelas Eltern, Nancy und Dany A. einen Antrag auf ein dreiwöchiges Schengenvisum gestellt. Eine Auszeit vom Krieg. Die Familie wohnte im heftig umkämpften Homs, bis das Haus vollständig zerstört wurde. Der Vater, von Beruf Ingenieur, betreibt ein Fotogeschäft, die Mutter ist Englischlehrerin. Mehrere Obstplantagen helfen der Familie, sich finanziell abzusichern. Der Kurzaufenthalt in Deutschland sollte außerdem durch den Onkel der Mutter, Aydin Said, finanziert werden. Said arbeitet als Abteilungsdirektor einer großen Bank in Frankfurt am Main. Schon am 26. Oktober 2012 hatte die Stadt ihm eine „finanzielle Leistungsfähigkeit“ bescheinigt, die ausreiche, um für den Unterhalt von drei weiteren Menschen aufzukommen.

Dennoch lehnt es die deutsche Botschaft ab, das Visum auszustellen. Im Ablehnungsschreiben, das sich direkt an die fast dreijährige Sumeela richtet und dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Ein oder mehrere Mitgliedsstaaten sind der Auffassung, dass Sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit (…) oder die internationalen Beziehungen eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten darstellen.“ Und weiter: Sumeela werde im Schengener Informationssystem (SIS) geführt. Auf dieser Liste landen vor allem Terroristen und andere Schwerverbrecher.

Trotz sofortigen Widerspruchs der Eltern wurde der Fall monatelang nicht neu geprüft. Erst auf Nachfrage des Tagesspiegels erfährt Sumeela in einem inoffiziellen Schreiben der Botschaft, dass sie eigentlich nicht abgelehnt wurde, weil sie eine Terroristin sei: Es könne nur nicht anders entschieden werden „da aufgrund des flächendeckenden Bürgerkrieges in Syrien, die Rückkehrbereitschaft äußerst gering sein dürfte“. Womöglich war die zuständige Behörde schlicht überfordert. Seit die Botschaft in Damaskus ihren Dienst wegen des Krieges eingestellt hat, verteilt sich die gesamte Arbeit auf die verbliebenen Vertretungen in den Anrainerstaaten. In der Botschaft in Beirut werden online überhaupt keine Termine mehr für Visaanträge vergeben. Die Bearbeitungszeit beträgt offiziell acht Wochen. Allein 2012 wurden 6345 syrische Anträge bearbeitet von denen Rund ein Drittel abgelehnt wurde. Kommen die Antragsteller auf Schengenvisa aus anderen Staaten liegt die Ablehungsquote im Schnitt bei 7,5 Prozent.

Dabei hatte die Bundesregierung Syrern schnelle Hilfe versprochen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will auch weiterhin 5000 „besonders schutzbedürftigen“ Syrern den Aufenthalt ermöglichen, die von einer Kommission unter anderem mit Vertretern des Bundesamts für Migration ausgewählt werden sollen. Wie ein Sprecher mitteilte, zieht das Innenministerium bisher aber nicht in Erwägung, die rechtlichen Bedingungen zu schaffen, um Syrern, die durch ihre Familien in Deutschland finanziell abgesichert sind, die Einreise zu erlauben. Bei einer humanitären Notlage wäre dies durch Beschluss der Innenministerkonferenz möglich. Eine Aufenthaltserlaubnis wäre dann nicht an die Bedingung geknüpft, dass die Syrer bald wieder in ihr Heimatland zurück wollen.

Bis sich das ändert, muss das Auswärtige Amt viele Hilfesuchende aus Syrien abweisen. Denn eine Rückkehrbereitschaft in das vom Bürgerkrieg weitgehend zerstörte Land nachzuweisen, ist fast unmöglich, wie in Regierungskreisen bestätigt wird. Die deutsche Botschaft in Beirut formuliert das im letzten Schreiben an Sumeela so: „Bitte sehen Sie von weiteren Anfragen ab.“

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