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Keine Vorschläge: Runder Tisch zur Heimerziehung vor dem Scheitern

Sechs Wochen vor dem Ende der Beratungen gibt es keinen Vorschlag für Entschädigungen der ehemaligen Heimkinder. Die Opfer fühlen sich betrogen.

Kurz vor Weihnachten sollen sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden: die Ergebnisse der Arbeit am „Runden Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“. Zwei Jahre lang hat sich das Gremium getroffen, zu seinen Aufgaben gehörte es, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie ehemalige Heimkinder für erlittenes Unrecht entschädigt werden könnten. Doch Monika Tschapek-Güntner, die Vorsitzende des Verbandes ehemaliger Heimkinder, erwartet nicht mehr, dass es zu einer Einigung kommt. Damit wäre der Runde Tisch aus Sicht der Opfer gescheitert, denn die Frage der Entschädigung ist ihr wichtigstes Anliegen.

Noch immer gibt es keinen Vorschlag der Heimvertreter am Runden Tisch, über den man reden könnte. „Es wird bis Dezember verhandelt“, wehrt Antje Vollmer, Moderatorin des Gremiums, die Fragen nach der Entschädigung ab. Mehr will sie nicht sagen, es sei ein „heikles Thema“. Auch die Evangelische Kirche will keine Stellungnahme zu diesem Thema abgeben, sie möchte den „Beratungen nicht vorgreifen“. Ähnlich diskret die Deutsche Bischofskonferenz: Sie verrät nur, dass sie „konstruktiv an einer Lösung zum Thema Entschädigung mitarbeitet“. Mit wem da beraten und verhandelt wird, ist rätselhaft. Den Heimkindervertretern wurde jedenfalls noch kein Angebot unterbreitet: „Es tut sich nichts“, sagt der 70-jährige Stefan Beuerle, einer der Vertreter der Betroffenen am Runden Tisch. „Keiner nennt Zahlen, niemand macht einen konkreten Vorschlag.“

Es scheint keinen zu geben, denn auch in dem 54-seitigen internen Entwurf für den Abschlussbericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, ist das Kapitel „Lösungsvorschlag des Runden Tisches“ komplett ausgespart: Da steht, sechs Wochen vor Beratungsschluss, nur eine Überschrift und sonst kein einziges Wort. Und auch unter dem Punkt „materielle Anerkennung“: nichts Genaues. So heißt es etwa, eine materielle Anerkennung sei „durch direkte individuelle finanzielle Leistungen denkbar“. Das könnten, heißt es weiter, Therapiekosten sein, Kosten für die Verwandtensuche oder auch Unterstützung in besonderen Lebenslagen, die durch die Heimerziehung mit verursacht wurden. Es könnten aber auch direkte Leistungen sein in Form von Rentenausgleich, Entschädigung, Schmerzensgeld. „Das wussten wir auch schon vor zwei Jahren“, kritisiert Tschapek-Güntner.

Der Runde Tisch wurde im November 2008 nach einem Beschluss des Bundestags eingerichtet, vorausgegangen war ein jahrzehntelanger Kampf der Betroffenen um Rehabilitierung und Rentenansprüche. Die erste Sitzung des Gremiums fand im Februar 2009 statt. Mit Vollmer als Moderatorin sollte die Runde die gewalttätige Praxis in den Kinderheimen aufarbeiten und Empfehlungen geben, wie mit Ansprüchen ehemaliger Heimkinder verfahren werden soll. Der wichtigste Punkt für die Betroffenen: Werden sie für Gewalt, Unrecht und Willkür, denen sie in den staatlichen und kirchlichen Heimen der Nachkriegszeit ausgesetzt waren, eine finanzielle Entschädigung erhalten?

Die Opfer fordern wahlweise eine monatliche Rente in Höhe von 300 Euro oder eine Einmalzahlung von 54 000 Euro. Betroffene müssten hier nur glaubhaft machen, dass sie damals in einem Heim untergebracht waren. Diese pauschale Entschädigung wird wohl abgelehnt. Der Runde Tisch kommt in seiner Bewertung zu der Einschätzung, dass eine damit verbundene Qualifizierung der Heimerziehung als generelles Unrecht nicht angemessen ist. Vollmer sagt, dass „viele Erwartungen enttäuscht werden müssten“, hofft aber, dass es zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den Beteiligten kommt. Tschapek-Güntner sieht das anders, und die Vorstellung, dass ein Vorschlag auf der letzten Sitzung per Tischvorlage kommt, findet sie nicht akzeptabel. „Wir werden doch über den Tisch gezogen.“ In ihren Befürchtungen, dass der Runde Tisch nur „eine Alibiveranstaltung“ sei, fühlt sie sich bestätigt.

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