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Politik: Keine Wahl im Dschungel

Von Hans Monath

Hätte man vor zehn oder 15 Jahren den Verlauf der deutschen Debatte über einen Kongo-Militäreinsatz vorausgesagt, wäre man für verrückt erklärt worden. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die sich damals gegen Auslandseinsätze stemmte, hat nun als erstes Kabinettsmitglied offen dafür plädiert. Am lautesten warnen dagegen Politiker, die entweder seit Jahrzehnten Verteidigungspolitik betreiben oder zu den Traditionalisten gehören. Diese Spaltung findet sich in beiden Regierungsfraktionen.

Auf die Formel, wonach Weltverbesserer vom Schreibtisch aus lustig mit Militär herumhantieren, lässt sich der Konflikt nicht reduzieren – zu ihnen müsste man sonst auch die Kanzlerin und den Verteidigungsminister zählen. Manches spricht sogar dafür, dass ein Denken in den alten Mustern transatlantischer Sicherheitsdoktrin den Blick auf das relativ neue Phänomen von Staaten ohne funktionierende Ordnung („failing states“) verstellt, die heute die EU-Außen- und Sicherheitspolitik auf die Probe stellen.

Zugespitzt geht es um die Frage: „Mourir pour Kinshasa?“ Darf die Regierung das Leben von Soldaten für das Wohl eines Landes aufs Spiel setzen, von dem die meisten Deutschen nicht einmal wissen, wo es liegt? Damit ist ein wichtiger Unterschied unserer außenpolitischen Kultur zu der in Paris oder London benannt. Zwar gibt es hierzulande eine Ahnung, dass uns seit der Globalisierung jeder Konflikt der Erde angeht. Aber ohne die lange Kolonialgeschichte fehlen auf der inneren Weltkarte der Deutschen fast alle Konturen jenseits Europas, Amerikas und vielleicht noch Ostasiens. Den neuen Risiken angemessen ist eine solche Sicht nicht.

Tatsächlich ist es in deutschem und europäischem Interesse, ob die Demokratische Republik Kongo, ein Land größer als Westeuropa, in der entscheidenden Phase der Wahlen seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 weiter stabilisiert wird – nach Jahren des Bürgerkriegs mit Millionen von Toten. Denn von der Lage in dem rohstoffreichen Land hängt es auch ab, ob die Nachbarstaaten eine Chance auf Frieden finden oder die ganze Region in Aufruhr bleibt, mit der Folge anziehender Rohstoffpreise, wucherndem grenzüberschreitendem Waffenhandel, dem Anschwellen von Flüchtlingsströmen und dem Verlust von Millionen von Euro an schon gezahlter Entwicklungshilfe.

Die Sicherung dieser Wahlen überfordert die UN-Friedenstruppe in Kongo (Monuc) – auch wenn es nur darum geht, in einem eng begrenzten Zeitraum den Verlust von Stabilität zu verhindern. Den Großteil der rund 15 000 Monuc-Soldaten stellen „Dritt-Welt“- und Schwellenländer. Die EU schickte weniger als 50 Beobachter. Das Missverhältnis zeigt, wie ernst die EU bisher ihren Anspruch genommen hat, lieber Krisenprävention zu betreiben als vollkommen zerstörte Länder wieder aufzubauen. Das Kräfteaufkommen bei der Prävention jedenfalls ist klar günstiger.

Die Reibereien innerhalb der EU bei der Abstimmung des Vorhabens haben das latente Misstrauen dagegen genährt. Die Bundeswehr soll nun die Führungsaufgabe übernehmen und insgesamt 500 Soldaten bereitstellen, nicht alle im Land. Es könnte sich für die Bundesregierung lohnen, möglichst viele Gefahrenherde auszuschalten und nach UN-Garantien für den Fall des Abzugs zu fragen. Dann könnte sie die deutsche Öffentlichkeit und möglichst viele Abgeordnete leichter davon überzeugen, dass der mögliche Gewinn dieser Operation ohne ein eng begrenztes Risiko nicht zu haben ist.

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