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Andrea Nahles glaubt, dass das neue Atomgesetz verfassungswidrig ist. Ihr Parteichef wünscht sich in dieser Frage einen Volksentscheid.

© dpa

Kettenreaktion: Opposition läuft Sturm gegen Atomdeal

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel wirft der Regierung vor, die Öffentlichkeit belogen zu haben, weil die alten Meiler entgegen früheren Aussagen keinesfalls sicherer würden. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung sind gegen längere Laufzeiten

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Der in der Nacht zum vergangenen Montag mit den Atomkonzernen geschlossene Vertrag bringt die schwarz- gelbe Bundesregierung weiter in Erklärungsnot. Während die Regierung das mittlerweile veröffentlichte Papier als „fairen Deal“ mit den Betreibern der Kernkraftwerke bezeichnete, sprach die Opposition von „Geheimpapieren“. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Transparenz war immer unsere Absicht.“ In den Eckpunkten sei vereinbart worden, dass die Kernkraftwerksbetreiber künftig 60 Prozent ihrer Gewinne abgeben müssten.

Die Opposition drohte mit Verfassungsklagen, falls die geplante Novelle des Atomgesetzes, mit der das Sicherheitsniveau für die Anlagen festgelegt werden soll, hinter Anforderungen zweier Gerichtsurteile zurückfallen sollte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Zusammenhang mit der Genehmigung eines Zwischenlagers den Schutz vor terroristischen Anschlägen verlangt. Ein Oberverwaltungsgericht hatte sogar einen Schutz gegen den Absturz der größten derzeit eingesetzten Verkehrsflugzeuge vorgeschrieben. Die Opposition befürchtet nun, dass mit der Novelle der Verzicht auf dieses Schutzniveau durchgesetzt werden soll.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte den Vorvertrag scharf: „So dreist ist in Deutschland noch nie der Eindruck erweckt worden, Politik sei käuflich.“ Der Vertrag offenbare, dass die alten Meiler entgegen früheren Aussagen keinesfalls sicherer würden. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der schwarz-gelben Koalition vor, sich der Atomlobby zu unterwerfen. Wie Gabriel drohte Trittin mit einer Verfassungsklage gegen die geplanten Laufzeitverlängerungen. Auch die SPD-geführten Länder kündigten Verfassungsklage an, sollte der Bundesrat umgangen werden. Die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, versprach der Regierung „Massenproteste“.

Regierungsvertreter bezeichneten das Papier als üblichen Vorvertrag. Man habe den Konzernen lediglich zugesichert, dass sie bis zum Ende der Vertragslaufzeiten keine zusätzlichen Kernbrennstoffsteuern zahlen oder unerwartete Sicherheitsforderungen künftiger Regierungen verkraften müssten. Eine Bindung künftiger Regierungen an die Klauseln des Vertrages gebe es nicht. So, wie Schwarz-Gelb jetzt den Ausstiegsvertrag von Rot-Grün mit den Konzernen auflöse, stehe das jeder späteren Koalition frei.

Eine klare Mehrheit der Deutschen lehnt längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ab. So unterstützen nur 33 Prozent der Bürger das Vorhaben der Bundesregierung, die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern. 61 Prozent sind dagegen, wie aus dem Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel hervorgeht.

Am Freitag wurde zudem bekannt, dass im maroden Atommülllager Asse zehnmal mehr Fässer mit mittelradioaktivem Abfall lagern als angenommen. Das geht aus der Abschlusserhebung des früheren Asse-Betreibers hervor. Damit steigt das Risiko der Arbeiter, die die insgesamt etwa 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Abfall aus dem alten Salzbergwerk bergen sollen. 14 800 Abfallbehälter, die als leicht radioaktive Stoffe deklariert wurden, enthalten demnach tatsächlich mittelradioaktive Abfälle.

Mit Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) hat erstmals ein Regierungsmitglied das Energiekonzept kritisiert. Gegen die geplante Verpflichtung zur umfassenden Sanierung des Altbaubestandes „werde ich Widerstand leisten“, sagte Ramsauer der „Rheinischen Post“.

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