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Kinder sollen künftig besser vor Missbrauch im Netz geschützt werden.

© imago images/Sven Ellger

„Keuschheitsprobe“ und Lockvogel-Einsatz: Wie Kinder vor Missbrauch im Netz geschützt werden sollen

Im Kampf gegen Kindesmissbrauch bekommen Ermittler neue Möglichkeiten – etwa die Nutzung künstlicher Pornografie. Doch es gibt auch Bedenken.

Es war ein verstörender Fall, auf den Ermittler 2017 im südbadischen Staufen stießen: Eine Mutter und ihr vorbestrafter Lebensgefährte hatten ihren zu Beginn siebenjährigen Sohn im Internet angeboten. Sie vermittelten den Jungen an Täter, die ihn vor laufender Kamera missbrauchten. Mit den Videos machte das Paar zusätzlich Geld.

Nachdem die Polizei die Mutter und ihren Lebensgefährten festgenommen hatte, beschloss der Mann, mit der Polizei zu kooperieren. Er überließ den Beamten seine Passwörter, so dass diese in speziellen Internetforen seine Identität nutzen und so weitere Täter überführen konnten.

Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Bislang war es oft die einzige Möglichkeit für Polizisten, Zugang zu Kinderpornografie-Foren im sogenannten Darknet zu bekommen: Wenn ihnen ein erwischter Täter seine Passwörter in der Hoffnung auf Strafmilderung zur Verfügung stellt. Mit dem Gesetz, das der Bundestag am Freitag beschlossen hat, soll es für die Beamten nun leichter werden, Pädophilen-Foren im Internet zu infiltrieren.

Künftig können speziell geschulte Ermittler am Computer mithilfe von Künstlicher Intelligenz kinderpornografische Bilder generieren. Diese sollen täuschend echt aussehen und dann als Eintrittskarte dienen, um in die streng abgeschotteten Pädophilen-Zirkel hineinzukommen. Denn Zutritt bekommt häufig nur der, der selbst Kinderpornografie anbietet.

Bislang durften Ermittler diese sogenannte „Keuschheitsprobe“ aber nicht ablegen, weil sie als Teil der staatlichen Strafverfolgung keine Straftaten begehen durften. Mithilfe der unechten Kinderpornografie sollen Ermittler diese Schranke nun überwinden können – wenn ein Richter vorher dem Vorgehen zugestimmt hat.

Polizisten agieren als Lockvögel

Zusätzlich dazu hat der Bundestag eine Verschärfung des Strafrechts beim sogenannten „Cybergrooming“ beschlossen. Denn in Chaträumen, bei Facebook, Instagram oder in Onlinespielen geben sich immer häufiger Pädophile und Sexualstraftäter als Kinder aus. Sie knüpfen Kontakte zu Jungen und Mädchen, versuchen deren Vertrauen zu gewinnen und fragen schließlich nach Nacktbildern oder einem Treffen. Mehr als jedes siebte Kind unter 14 Jahren sei Umfragen zufolge bereits Opfer sexueller Belästigung im Netz geworden, sagte der Unionsabgeordnete Thorsten Frei im Bundestag.

Fordert jemand einen Minderjährigen im Netz zu sexuellen Handlungen auf, kann das bereits heute mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Strafblei blieben Täter bislang, wenn sie nur dachten, sie chatteten mit einem Kind, in Wirklichkeit am anderen Ende aber ein Erwachsener saß – zum Beispiel ein Polizist, der den Lockvogel spielt. Künftig sollen Täter aber auch in diesem Fall bestraft werden können. Es soll also schon der Versuch des „Cybergroomings“ strafbar sein.

Kinder sind verstärkt im Internet unterwegs - auch mit dem Smartphone.
Kinder sind verstärkt im Internet unterwegs - auch mit dem Smartphone.

© picture alliance/dpa

Doch diese Verschärfung des Strafrechts beim „Cybergrooming“ ist umstritten. SPD, Union und AfD stimmten dafür, FDP, Grüne und Linke dagegen. „Hier wird möglicherweise über das Ziel hinausgeschossen“, sagte der FDP-Abgeordnete Jürgen Martens. Der Linken-Politiker Niema Movassat kritisierte, dass mit dieser Verschärfung die reine Gesinnung des Täters bestraft werde. Stattdessen sollte man lieber überlegen, welche anderen Möglichkeiten es gebe. So könne man dem Täter zunächst klar machen, dass die Polizei ihn im Visier habe, so dass er seine Aktionen einstelle.

Kinder durch Digitalisierung verstärkt in Gefahr

Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner argumentierte, dass die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe. Im Jahr 2018 registrierte das Bundeskriminalamt rund 3462 Fälle, in denen jemand kinderpornografisches Material besaß oder erwarb. Zählt man Verbreitung und Herstellung dazu, waren es fast 7450 Fälle – Tendenz steigend. „Wir müssen handeln“, sagte Fechner.

Er räumte zwar ein, dass es beim Cybergrooming eine erhebliche Vorverlagerung der Strafbarkeit geben werde, das sei aber gerechtfertigt. Auch die Bundesregierung schreibt in ihrem Gesetzesentwurf: „Die Gefahr für Kinder, Opfer von Cybergrooming zu werden, hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. Denn die Digitalisierung schreitet voran und die Nutzung digitaler Dienste ist auch bei Kindern weit verbreitet.“

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