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Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos

© dpa/Michael Kappeler

Update

Kevin Kühnert bekräftigt Sozialismus-Thesen: „So können wir auf keinen Fall weitermachen“

Juso-Chef Kühnert trotzt der massiven Kritik an seinen Sozialismus-Äußerungen. Der Kapitalismus sei in zu viele Lebensbereiche vorgedrungen, sagt er.

Juso-Chef Kevin Kühnert hat seine Sozialismus-Thesen verteidigt und die SPD aufgefordert, die von ihm angestoßene Debatte offensiv zu führen. „Ich habe keine Lust mehr darauf, dass wir wesentliche Fragen immer nur dann diskutieren, wenn gerade Friedenszeiten sind, und im Wahlkampf drum herumreden“, sagte Kühnert dem „Spiegel“. Wenn man ernsthaft einen anderen Politikstil wolle, „dann können wir uns nicht immer auf die Zunge beißen, wenn es um die wirklich großen Fragen geht“.

„Ich habe das sehr ernst gemeint, was ich formuliert habe“, sagte Kühnert. Der Kapitalismus sei „in viel zu viele Lebensbereiche vorgedrungen: „So können wir auf keinen Fall weitermachen.“

Der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation hatte in einem Interview mit der „Zeit“ zum Thema Sozialismus gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen „auf demokratischem Wege“ eintrete: „Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW „staatlicher Automobilbetrieb“ steht oder „genossenschaftlicher Automobilbetrieb“ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht.“

Für diese Aussagen musste Kühnert teils heftige Kritik einstecken. „Die empörten Reaktionen zeigen doch, wie eng mittlerweile die Grenzen des Vorstellbaren geworden sind“, sagte er nun dem „Spiegel“. „Da haben 25 Jahre neoliberaler Beschallung ganz klar ihre Spuren hinterlassen.“

Auch Verteidigung aus Reihen der SPD

Der Juso-Chef wurde für seine Äußerungen vor allem von Union, FDP, AfD und Wirtschaftsverbänden scharf angegangen. Heftiger Widerspruch kam auch aus der eigenen Partei. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, schrieb etwa bei Twitter: "Was für ein grober Unfug. Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein."

Zuspruch kam dagegen von der Linkspartei. Und auch in der SPD werden Stimmen laut, die Kühnert gegen Kritik in Schutz nehmen. So sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag in der rbb-Sendung "Talk aus Berlin": "Die Aufregung um diese Äußerung von Kühnert zeigt, dass er die richtige Frage gestellt hat. Nämlich die Frage nach der Verteilung von Einkommen."

Der Vorsitzende der einflussreichen nordrhein-westfälischen SPD, Sebastian Hartmann, sagte dem "Spiegel", die Debatte müsse aufgenommen werden. "Wir brauchen ein grundlegend neues Wirtschaftsmodell." Der ungeregelte Markt sei "unser Gegner". "Ungleichheit ist der Sprengstoff unserer Zeit."

Scheuer: SPD-Spitze muss sich "klar" distanzieren

Auch die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar, Mitglied im SPD-Bundesvorstand, lobte Kühnert: "Wenn wir glaubhaft von Erneuerung sprechen wollen, müssen wir über den Widerspruch von Arbeit und Kapital reden." Seit Jahren erstarke der Neoliberalismus und wachse die Ungleichheit zwischen Arm und Reich: "Da kann sich die SPD nicht mit dem Status quo zufriedengeben."

SPD-Vize Ralf Stegner nahm Kühnert in Schutz und sprach von einem „Sturm im Wasserglas“. Er stimme nicht allen Thesen zu, aber ein Juso-Vorsitzender dürfe auch „mal radikaler formulieren“, sagte Stegner am Freitag im Deutschlandfunk. Kühnert habe über „politische Utopien“ gesprochen und auch klargemacht, dass es um demokratischen Sozialismus gehe. Im Übrigen habe er sich ja mit Missständen etwa im Bereich Wohnen auseinandergesetzt.

Linke-Chef Bernd Riexinger hat in der Debatte um höhere Mieten in deutschen Großstädten einen vorläufigen Stopp jeglicher Mieterhöhungen gefordert. „Die Mieten müssen sinken“, sagte Riexinger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ein erster Schritt dazu wäre ein generelles Mietenmoratorium.“ Er betonte: „Ebenso wichtig sind mehr Wohnungen in öffentlicher Hand.“ Bei den großen Immobilienkonzernen müsse die Eigentumsfrage gestellt werden.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) forderte die SPD-Führung zur Distanzierung auf. Er erwarte, dass sich die SPD-Spitze "von solchen Äußerungen klar und unmissverständlich distanziert", sagte Scheuer der "Passauer Neuen Presse". Die Parteiführung habe auch Verantwortung gegenüber einem Juso-Vorsitzenden.

Der CSU-Politiker nannte die Überlegungen Kühnerts etwa zur Kollektivierung von Großunternehmen "verschrobene, rückwärtsgewandte Weltbildfantasien". Der Juso-Chef sei ein "hoffnungsloser Fall". Wer aus den Zeiten des Sozialismus in der DDR nichts gelernt habe, dem sei nicht mehr zu helfen, sagte Scheuer. (dpa, AFP)

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