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Kfz-Kennzeichenerfassung

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Kfz-Kennzeichenerfassung: "Jeder Autofahrer ein potenzieller Straftäter"

Die Klagen wegen der automatisierten Erfassung von Kfz-Kennzeichen gehen heute beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Verletzt das Gesetz das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?

Die Videokameras sind fest installiert, oder sie können mobil von einem Polizeifahrzeug aus eingesetzt werden. Seit die automatische Kfz-Kennzeichenerfassung in mittlerweile acht Bundesländern eingeführt wurde, sind Millionen von Autokennzeichen auf deutschen Straßen erfasst worden, die Bilder wurden digitalisiert und mit den Fahndungsdaten der Polizei abgeglichen. Autodiebe etwa sollen so aufgespürt werden, Daten, die keinen Treffer bringen, wieder gelöscht werden. Am heutigen Dienstag steht eine entsprechende Regelung in den Polizeigesetzen von Schleswig-Holstein und Hessen allerdings zur Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. Mit einer Entscheidung ist in etwa drei Monaten zu rechnen.

Rechtsanwalt Udo Kauß vertritt drei Beschwerdeführer, die gegen das Gesetz in Hessen respektive Schleswig-Holstein nach Karlsruhe gezogen sind, weil sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sehen. Zweierlei moniert Kauß im Namen seiner Mandanten: „Die Regelung in Hessen ist voraussetzungslos, die in Schleswig-Holstein de facto auch.“ Während etwa bei einer Verkehrskontrolle zumindest ein Anlass vorliegen müsse, werde bei der automatisierten Erfassung ohne Begründung einfach jedes Fahrzeug überprüft. Ein solches „massenhaftes Stochern im Nebel“ behandele jeden Autofahrer „wie einen potenziellen Straftäter“ und lege „den Grundstein für einen immer umfassenderen maschinellen Abgleich der Bevölkerung mit polizeilichen Datenbanken“.

Angesichts des kritischen Karlsruher Urteils zur Rasterfahndung nach dem 11. September hoffen die Kläger auf deutliche Worte. „Das wird das Bundesverfassungsgericht auf keinen Fall so stehen lassen“, sagt Kauß. So habe etwa Brandenburg „eine vorbildliche Regelung“. Dort muss für die Erfassung eine konkrete Gefahr bestehen. Eine Entscheidung der Richter in diesem Punkt hätte aber keine direkten Auswirkungen auf die Gesetze anderer Bundesländer. Sie sind schon länger in Kraft, die Frist für Klagen gegen sie ist abgelaufen.

Ein anderer Aspekt der Klage jedoch könnte bundesweit Auswirkungen haben: die Frage der Zuständigkeit. Nach Interpretation der Länder ist die Erfassung eine präventive Maßnahme, fällt damit in ihre Zuständigkeit. Kauß aber wendet ein, da hier Fahndungsdaten abgeglichen werden, handele es sich um eine Maßnahme der Strafverfolgung und falle somit unter die bundesrechtliche Strafprozessordnung. Zur Anhörung kommen neben Ländervertretern auch Ministerialbeamte der zuständigen Bundesministerien.

Auch die Expertin beim hessischen Datenschutz, Barbara Dembowski, sagt, es müsse geklärt werden, „wo der Schwerpunkt dieser Maßnahme“ liege, ob er präventiv oder repressiv sei. In der Hauptsache jedoch gehe es um die Frage „der Verhältnismäßigkeit“. Dabei lehne ihre Behörde die Erfassung nicht generell ab, sie plädiert aber dafür, „sie etwas einzuschränken“.

Nach Einschätzung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, kommt dem Karlsruher Spruch bundesweite Bedeutung zu. Denn immer öfter würden Daten zunächst für kurze Zeit erhoben, später aber doch längerfristig gespeichert. „Ich befürchte, dass es auch hier nicht bei der temporären Speicherung bleibt“, sagt Schaar. Bei der Kennzeichenerfassung handele es sich „um eine weitere anlasslose generelle Datenerhebung“. Wie bei der Vorratsdatenspeicherung könne auch die Verwendung der Kfz-Kennzeichen später erweitert werden.

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