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Politik: Kiel nimmt Kurs auf große Koalition

CDU-Spitzenkandidat Carstensen stellt Bedingungen / Union und SPD: Kiel kein Vorbild für Berlin

Von
  • Robert Birnbaum
  • Matthias Schlegel

Berlin/Kiel - Nach dem Wahldebakel von Heide Simonis in Kiel hat der CDUSpitzenkandidat Peter Harry Carstensen Neuwahlen in Schleswig-Holstein abgelehnt und die SPD erneut aufgefordert, über eine große Koalition zu verhandeln. Im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag nannte Carstensen als Bedingung für ein Zusammengehen mit der SPD, dass er zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Zugleich zog er die früher angebotenen Zugeständnisse in der Schulpolitik zurück. „Damals waren wir in einer völlig anderenSituation. Jetzt gelten andere Preise“, sagte er.

Nachdem der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) bereits neue Gespräche mit der SPD abgelehnt hatte und am Samstag die Grünen erklärten, dass sie keine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit den Liberalen sehen, wird eine große Koalition immer wahrscheinlicher. Erste Sondierungsgespräche von CDU und SPD wurden bereits für Mitte kommender Woche anberaumt. Dies hatte SPD-Landeschef Claus Möller am Freitagabend angekündigt. Heide Simonis forderte ihre Partei nach Informationen des „Spiegel“ in einer nicht öffentlichen Rede auf, selbstbewusst zu verhandeln.

Die Suche nach dem Schuldigen an der Wahlniederlage von Simonis führt zu einer zunehmend bitteren Auseinandersetzung in Kiel. Carstensen wies alle Mutmaßungen zurück, dass seine Fraktion den Abweichler im gegnerischen Lager beeinflusst oder gar gekauft haben könnte. Er betonte, die CDU habe keinen Kontakt zu dem Abweichler. Simonis und ihr Finanzminister Ralf Stegner (SPD) wollen juristisch gegen Darstellungen vorgehen, wonach Simonis Stegner intern als den unbekannten Abweichler bei der fehlgeschlagenen Ministerpräsidentenwahl verdächtige. Entsprechende Berichte hatten das Magazin „Focus“ und – unter Berufung auf FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki – die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ verbreitet. Kubicki widersprach dem Bericht, Simonis und Stegner wollten „Focus“ juristisch zum Widerruf zwingen. Stegner sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, es handele sich um „Rufmord“.

Die absehbare große Koalition in Kiel soll nach den Worten der Spitzen von Union und SPD nicht zum Vorbild für die Bundespolitik werden. SPD-Chef Franz Müntefering lehnte ebenso wie CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber einen Bund der Großen als nicht sinnvoll ab.

Aufschlussreich an dem geschlossenen Nein sind – wenige Wochen vor der möglicherweise vorentscheidenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen – unterschiedliche Akzente in der Begründung. Müntefering stellte eine große Koalition in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ als konfliktträchtige Konstellation hin. „Auch in einem solchen Bündnis würde sich von Anfang an die Machtfrage stellen“, sagte er. Jeder der Partner würde nach einer günstigen Ausgangsposition streben, um nach der nächsten Wahl wieder alleine mit einer der kleinen Parteien regieren zu können.

Die Spitzen der Union machten dagegen klar, dass sie auf einen Machtwechsel bauen. „Das rot-grüne Projekt nähert sich seinem Ende“, sagte Merkel der „Bild am Sonntag“. Auch wenn der Zeitpunkt noch offen sei, seien die Risse in Koalition und in SPD deutlich erkennbar. Kanzler Gerhard Schröder handle sogar bei über fünf Millionen Arbeitslosen nicht selbst, sondern müsse dazu getrieben werden. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warf den Sozialdemokraten im Tagesspiegel vor, sie seien „viel zu rückwärtsgewandt“, als dass sich mit ihnen zusammen die Probleme lösen ließen.

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