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Politik: "Killing Pablo": Schmutziger Krieg

"Sie haben noch immer nicht begriffen. Diese Leute arbeiten alle für mich.

"Sie haben noch immer nicht begriffen. Diese Leute arbeiten alle für mich." Dies sagt Pablo Escobar mit sanfter Stimme zum stellvertretenden kolumbianischen Justizminister Mendoza, nachdem er ihn als Geisel genommen hat. Draußen steht kolumbianisches Militär, um Escobar festzunehmen. Escobar entkommt - wieder einmal.

Marc Bowden beschreibt in seinem Buch den historischen und soziologischen Hintergrund der Jagd auf den Drogenbaron, die Gewalt, die schwächlichen Versuche der verschiedenen korrupten Regierungen Kolumbiens, die Kokain-Industrie zu bekämpfen.

Escobar steigt auf vom jugendlichen Straßenräuber und Autodieb zum beherrschenden Mann und sozialen Wohltäter in Medellin und der Provinz Antioquia. Er tötet jeden, der sich ihm in den Weg stellt, konsequent, grausam und in aller Ruhe. "Plato o plomo" , Silber oder Blei - wer sich von Escobar nicht kaufen lässt, muss sterben, Minister, Richter, Staatsanwälte, Offiziere, Polizisten.

Als die USA ihren Druck auf Kolumbien verstärken - ausgelöst durch ein Attentat auf ein Verkehrsflugzeug, durch das ein Kandidat für die kolumbianische Präsidentschaft aus dem Weg geräumt werden sollte -, wechselt Escobar die Strategie. Er bietet den USA Informationen über die linke Guerilla an, und er verrät einen prominenten Partner aus seinem eigenen Kartell an die amerikanische Agentur für Drogenbekämpfung, die Drug Enforcement Agency (DEA). Gleichzeitig setzt er mit Gewalt und Terror eine Änderung der kolumbianischen Verfassung durch. Sie verbietet es nun, Kolumbianer an andere Länder auszuliefern. Er macht einen Deal mit der Regierung: Er zieht in ein luxuriöses Gefängnis in Medellin, das er selbst hat bauen lassen. Die Regierung verpflichtet sich, nur eine seiner Straftaten zu untersuchen, und zwar die geringste.

Nachdem Escobar feststellt, dass die Leitung seines Kartells aus dem Gefängnis heraus nicht so recht klappt, lässt er einige untreue Partner liquidieren und flüchtet. Das Engagement der Amerikaner wird stärker. Spezialeinheiten der US-Army, der DEA und der CIA instruieren und unterstützen die Sondereinheit der kolumbianischen Polizei, die auf Escobar angesetzt ist. Bowden kennt erstaunliche Details der amerikanischen Technik: Abhören, Peilen und Analyse der Kommunikationsstruktur. Und er schildert die kleinkarierte Konkurrenz der US-Dienste untereinander, die nach dem Ende des Kalten Krieges neue Aufgaben und Haushaltsmittel brauchen.

Escobars Gegenspieler ist der Polizeioberst Hugo Martinez, verbissen, asketisch, unbestechlich. Der Drogenbaron hatte ihm sechs Millionen Dollar geboten. Das Blatt wendet sich zu Gunsten von Martinez, als dieser ein Bündnis mit den Konkurrenten Escobars, dem Cali-Kartell und mit abtrünnigen Medellin-Leuten eingeht. Sie nennen sich "Los Pepes" und terrorisieren jeden, der auch nur im Geruch steht, etwas mit Escobar zu tun zu haben. Dessen Verwandte, Anwälte, Angehörige des Medellin-Kartells werden ermordet, Escobars Anwesen zerstört. Im Dezember 1993 wird Escobar schließlich gestellt, und es ist klar, dass alle - auch die Amerikaner - nur seinen Tod wollen. Denn niemand hat noch Vertrauen in die kolumbianische Justiz.

Am Ende erfasst die Jäger Katerstimmung: "Mit der Tötung Pablos wurden die Kokain-Ausfuhren in die USA nicht beendet oder auch nur verringert, doch die Amerikaner hatten sich zu diesem Job verpflichtet, weil sie glaubten, es gehe um etwas Größeres. Es ging um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, das Ansehen der Zivilisation."

Bowdens Buch ist spannend. Seine Quellen sind Berichte der US-Dienststellen und Gespräche mit den damals handelnden Personen. Er drängt dem Leser keine Bewertung auf, er informiert ihn präzise und lässt ihn selbst sein Urteil bilden. Die Frage, wie sinnvoll die Drogenpolitik der USA ist, stellt Bowden nicht explizit. Das Buch zwingt sie uns dennoch auf. Die USA haben sich die Hände schmutzig gemacht. Aber sie haben nichts ausgerichtet gegen die 200 bis 300 Tonnen Kokain, die jährlich in die USA und andere Länder geschafft werden.

Volker Foertsch

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