Politik: Kind oder Job

Ja, es gibt sie, die Unkonventionellen. Aber „traditionelle Rollen sind doch noch sehr beherrschend“, meinte Johann Hahlen am Donnerstag in Berlin. Hahlen muss es wissen. Denn 830 000 Bürger hat der Präsident des Statistischen Bundesamtes für den „Mikrozensus 2002“ befragen lassen, dessen Ergebnisse nun vorliegen.

Nichts bestimmt die Berufstätigkeit von Frauen so sehr wie ihre Kinder. Von den 30-jährigen Frauen etwa arbeiten gut 45 Prozent der Mütter – aber 85 Prozent der Frauen ohne Kinder. Vom 45. Lebensjahr an ist dann die Erwerbstätigenquote von Müttern und Kinderlosen gleich.

Kurios dagegen das Bild bei den Männern. In jeder Altersgruppe arbeiten mehr Väter als kinderlose Männer. Ob Papa da dem heimischen Lärm entflieht oder sich als verantwortungsvoller Ernährer sieht, ist egal: Für Männer sind Kinder das, was außerhäusliche Arbeit wahrscheinlicher macht – für Frauen sind Kinder jener Faktor, der eine Erwerbsarbeit drastisch unwahrscheinlicher macht.

Die Statistiker haben genauer hingesehen und sich nur die Frauen mit Kindern vorgenommen. In den alten Bundesländern arbeiten 20 Prozent in Vollzeit, 40 Prozent in Teilzeit (1996 waren es erst 30 Prozent). Im Osten dagegen arbeiten 50 Prozent Vollzeit und 20 Prozent Teilzeit. Mütter in den neuen Ländern sind also weiterhin stärker ins Erwerbsleben integriert, wenn auch mit fallender Tendenz.

Zu den Unterschieden zwischen West und Ost gehört die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Fragt man Mütter mit einem Teilzeitjob, warum sie nicht ganztags arbeiten, so sagen 51 Prozent in den neuen Ländern: Weil Vollzeitjobs nicht zu finden sind. Im Westen sagen dies nur vier Prozent der Mütter. 83 Prozent im Westen geben an, Teilzeit der Familie zuliebe zu bevorzugen (im Osten: 31 Prozent). Offenbar diktieren Betreuungsangebote und Wirtschaftslage, welche Entscheidungsmöglichkeiten Müttern in Ost und West offenstehen.

Weitere Ergebnisse des Mikrozensus sind: 54 Prozent der Bürger leben in Eltern-Kind-Gemeinschaften, 17 Prozent allein, 27 Prozent als kinderlose Paare. Die Zahl der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wird auf knapp 150 000 geschätzt. Bei deutsch-ausländischen Paaren wählen Männer häufig Frauen aus Asien oder Polen als Partnerinnen. Deutsche Frauen heiraten dagegen häufig Männer aus der Türkei oder aus Italien.