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Politik: Kinder in die Verfassung?

Der Schutz von Minderjährigen liegt allen am Herzen – aber über die rechtliche Basis gibt es Uneinigkeit

Berlin - Die Jugendminister der Länder fordern eine Stärkung der Kinderrechte. Die Minister sprechen sich einhellig dafür aus, den Kinderschutz weiter auszubauen. „Eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz hätte eine Symbolwirkung, würde aber auch konkrete Hilfe in der Praxis leisten“, sagte Berlins Bildungs- und Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. Am Freitag ging in Berlin die Konferenz der Jugend- und Familienminister der Länder zu Ende. Gleichzeitig will Bremen mit einer Bundesratsinitiative erreichen, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Kinder bestmöglich zu schützen und zu fördern, ist ein Anliegen, über das sich Politik, Verbände und Bevölkerung in Deutschland weitgehend einig sind. Nicht erst die aktuellen Fälle von Kindesmissbrauch haben das Kind als Opfer in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Der gefühlte Anstieg von Sexual- und anderen Gewaltdelikten gegenüber Minderjährigen und nicht selten Schutzbefohlenen hat in den letzten Jahren zu erhöhter Sensibilität geführt. Gewalt gegen Kinder wird nicht toleriert, Kinder werden nicht länger als Verfügungsmasse ihrer Eltern gesehen. Die aktuellen Forderungen, den Kinderschutz im Grundgesetz zu verankern, liegen daher im Trend.

„Keine Frage: Das Thema Kinderrechte ist auf der politischen Agenda angekommen. Allerdings wird die Tatsache, dass Kinder nicht nur Schutzobjekte, sondern auch handelnde Subjekte mit unveräußerlichen Rechten sind, allzu oft übersehen“, sagt Kolja Schumann, Berliner Vorsitzender der Kinder- und Jugendorganisation „Die Falken“. Selbstverständlich gälten auch für Kinder die Menschenrechte. „Ihre körperlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten sind aber andere als die Erwachsener, ihre Ansprüche und Bedürfnisse daher ebenfalls. Für deren Gewährleistung reichen die Menschenrechte allein nicht aus.“ Mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen gebe es hierfür den entsprechenden „Meilenstein“.

Am 20. November 1989 wurde das Übereinkommen über die Rechte der Kinder von der UN-Generalversammlung angenommen. Von allen UN-Konventionen ist sie die meistratifizierte, nur Somalia und die USA haben bislang nicht unterzeichnet. Die hier völkerrechtlich festgehaltenen Rechte der Kinder beinhalten ihren Schutz, aber sie gehen auch weit darüber hinaus. Kinder werden hier als Rechtssubjekte anerkannt, deren Meinung nicht nur Gehör geschenkt, sondern auch Vorrang beigemessen werden muss, wenn es direkt und indirekt um ihre Belange geht. Neben dem Schutz sind Förderung und Beteiligung zentrale Säulen. Die Umsetzung der Konvention lässt weltweit allerdings zu wünschen übrig. Zahlreiche Organisationen fordern daher, die dort festgehaltene Verpflichtung ernst zu nehmen und zu realisieren, indem alle erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte ergriffen werden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) ist Teil des Aktionsbündnisses Kinderrechte. Deren Forderung lautet: Kinderrechte in die Verfassung, wie es beispielsweise in Südafrika bereits der Fall ist. Es handele sich dabei keineswegs nur um Symbolpolitik, erläutert DKHW-Sprecher Holger Hofmann, denn so könnten Kinder ihre Rechte gegebenenfalls einklagen. Während man im Kinderschutz bereits weitreichende gesetzliche Bestimmungen habe, gebe es schwere Defizite in den Bereichen der politischen Beteiligung, der Förderung gleicher Entwicklungschancen sowie bei der Beachtung des Kindeswohls, dem in der UN-Konvention eine Vorrangstellung eingeräumt werde. Eigentlich seien die politischen Bedingungen für eine Aufnahme der Kinderrechte günstig, sagt Hofmann, „nur die CDU blockiert weiter“.

Johannes Singhammer, jugendpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, widerspricht. „Kein vernünftiger Mensch ist gegen die Feststellung der Kinderrechte.“ Die Forderung, sie ins Grundgesetz aufzunehmen, sei allerdings nicht mehr aktuell. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. April 2008 seien Kinderrechte einklagbar. In dem Fall eines Kindes, das den Kontakt mit seinem umgangsunwilligen Vater einklagen wollte, habe das Urteil das Kindeswohl als entscheidenden Maßstab definiert, sagt Singhammer.

„Schutz- und Pflegerechte oder auch Umgangsrechte sind zweifellos fundamental, dem Kind als politischem Akteur ist damit aber noch nicht geholfen“, erklärt dagegen Kolja Schumann von den „Falken“.

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