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Politik: Kinder kriegen – kinderleicht

Nordeuropa hat eine relativ hohe Geburtenrate. Beruf und Familie sind dort längst besser vereinbar

Stockholm - Ob in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen oder Schweden – überall wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie groß geschrieben. Insbesondere vom Gesetzgeber, der sich zu einer ganztägigen Kinderbetreuung verpflichtet hat. „Ohne dieses System hätten wir es mit unserer Tochter nie geschafft“, sagt Anna Johansson, 40-jährige Journalistin aus Stockholm, die schon wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes wieder am Redaktionstisch sitzt.

Das System zeigt Erfolg: In den nordeuropäischen Ländern ist die Geburtenrate mit für 2005 geschätzten 1,7 (Schweden) bis 1,99 (Island) Kindern pro Frau relativ hoch. Gleichzeitig belegen diese Länder bei der Frauenerwerbsquote mit zwischen 70 und 80 Prozent einen europäischen Spitzenplatz, Deutschland liegt mit knapp über 60 Prozent im hinteren Feld.

Die hohe Frauenerwerbsquote hat aber auch noch einen anderen Grund. In Schweden ist es wegen relativ niedriger Gehälter und einer sehr hohen Steuerbelastung eine ökonomische Notwendigkeit, dass beide Partner arbeiten. Die Politik musste dafür sorgen, dass Frauen so schnell wie möglich oder nötig in das Arbeitsleben zurückkehren können. Erreicht wurde das in Schweden durch ein gut ausgebautes Netz von Kindertagesstätten. Hier werden auch Kleinkinder ab etwa acht Monaten betreut. Die Kitas sind ganztägig geöffnet, in den größeren Städten gibt es sogar Kindernachtstätten. Das Kita-System geht nahtlos in die Vorschule mit Freizeitbetreuung über. Später folgen die Ganztagsschulen.

Die finanzielle Belastung der Familien durch die Kita-Betreuung war ein ständiger Streitpunkt in Schweden. Vor zwei Jahren reagierte die sozialdemokratische Regierung und führte eine obere Gebührengrenze ein: Unabhängig vom Einkommen zahlen Eltern maximal umgerechnet rund 130 Euro im Monat. Ebenfalls unabhängig vom Einkommen beträgt das Kindergeld rund 100 Euro je Kind und Monat. Eine Besonderheit der nordeuropäischen Familienpolitik: Nicht einmal ein Drittel der staatlichen Mittel fließt direkt als Kinder- oder Erziehungsgeld in die Familien. Der überwiegende Teil ist für das Kita-, Vorschul- und Freizeitheim-Betreuungssytem. Ein sehr teures System, dass nur über hohe Steuern finanziert werden kann: Rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt Schweden für das flächendeckende Kita-Netz sowie für Kinder- und Erziehungsgeld aus.

Anna Johansson und ihr Mann erhalten wie alle Eltern in Schweden insgesamt 450 Tage das so genannte Elterngeld. Der Vater muss mittlerweile davon 60 Tage nehmen, ansonsten verfällt diese Zeit. Zusätzlich stehen den Eltern weitere 90 Tage zu einem stark reduzierten Tagessatz von etwa 65 Euro zur Verfügung. Während des normalen Elternurlaubs erhält derjenige, der sich um das Kind kümmert, knapp 80 Prozent seines Gehalts vom Staat. Aus verteilungspolitischen Gründen wurde aber eine maximale Gehaltsbemessungsgrenze eingeführt, die derzeit bei etwa 2700 Euro im Monat liegt. Wer mehr verdient, bekommt dennoch nur die knapp 80 Prozent von den maximal 2700 Euro. Das hat dazu geführt, dass die große Mehrheit der Väter jenseits ihrer 60 Pflichttage auf den Elternurlaub verzichtet, da auch in Schweden Männer deutlich mehr verdienen als Frauen.

Helmut Steuer

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