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Politik: Kinder sind unbezahlbar

Von Hans Monath

Drei Dogmen haben die Familienpolitik in Deutschland über Jahrzehnte bestimmt. Erstens: Der Staat darf keine Bevölkerungspolitik machen. Zweitens: Alles hängt am Geld für die Eltern. Drittens: Der Staat muss jedem Kind gleich viel geben.

Nur mehr Kinder garantieren, dass Deutschland halbwegs kreativ, fröhlich und wohlhabend bleibt. Das Trauma der NSBevölkerungspolitik (Mutterkreuz) aber hat lange verhindert, die Geburtenrate als Ziel zu identifizieren. Erst Familienministerin Renate Schmidt (SPD) bekannte: Ich will für mehr Kinder sorgen. Weil der Aufschrei der Empörung ausblieb, folgte ihr der Kanzler.

Das zweite Tabu ist der individuelle Anspruch auf Geld. Höheres Kindergeld war lange der Fetisch aller Familienpolitik. Bei den staatlichen Ausgaben für Familien rangiert Deutschland im europäischen Spitzenfeld. Doch zeigen die Milliarden wenig Wirkung: Wir haben die niedrigste Geburtenrate in Europa und weltweit die höchste Kinderlosigkeit. Auch das Bundesverfassungsgericht zeigt ein verkürztes Verständnis von Gesellschaft, wenn es in seinen Familienurteilen nur auf die individuellen Ansprüche starrt und teure Infrastrukturleistungen für Kinder ausblendet. Denn Kinder kann man nicht kaufen. Es brauchte eine kopernikanische Wende, um das Betreuungsangebot wichtiger zu nehmen als die Aufstockung direkter Zahlungen.

Das dritte Tabu ist noch unbearbeitet: Alle, egal ob reich oder arm, haben den gleichen Anspruch an den Staat. Und einmal gewährte Leistungen dürfen nie zurückgenommen werden. Mit diesem Dogma legt sich Renate Schmidt an, wenn sie den Umbau des Erziehungsgelds zu einer einkommensabhängigen Lohnersatzleistung plant, die künftig nur noch für ein Jahr gewährt werden soll. Das heißt: Der Bürger-Papa erhält mehr Geld als ein ungelernter Arbeiter, der ebenfalls für sein Kind sorgen will.

Die SPD-Linke reagiert mit Pawlow’schen Reflexen und ruft, jedes Kind müsse dem Staat in absoluten Zahlen gleich viel wert sein. Das ist der „Hammer sozialer Ungerechtigkeit“, den Kanzler Schröder beiseite zu legen bat. Dabei darf es dem Staat nicht egal sein, wenn mehr als 40 Prozent der Akademikerinnen keine Kinder bekommen. Gleichbehandlung ist ein wichtiges Prinzip. Doch es ist auch ein Beitrag zu einer sozialeren Gesellschaft, wenn mehr Kinder mit Bildungshintergrund ihrer Schulklasse Impulse geben und damit die Chancen schlechter gestellter Mitschüler auf Entwicklung fördern. Auch wird die Aussicht auf ein höheres Familieneinkommen mehr Väter an den Wickeltisch locken.

Vielleicht reicht die Kraft der Ideologen nur noch für Rückzugsgefechte. In der Union geben die Hüter traditioneller Frauenbilder schon lange nicht mehr den Ton an. So scheint in der Familienpolitik endlich das Ende der Lebenslügen gekommen zu sein. Gestritten wird heute um die politischen Instrumente, die das Land kinderfreundlicher machen sollen.

Was immer Opposition oder Kommunalverbände nun gegen das neue Gesetz zum Ausbau der Betreuung für Unter-Dreijährige vorbringen, wird nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzige Alternative dazu Stillstand auf niedrigstem Niveau heißt. Wenn das die Antwort auf ein Angebot an Familien ist, dann helfen gegen diese Obstruktionspolitik nur Montagsdemonstrationen für mehr Krippenplätze. Es wäre ein eindrucksvolles gesellschaftliches Bündnis von Eltern, Gewerkschaftern, Kirchen und Unternehmern, das dazu aufrufen würde.

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