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Eine Klasse in einer wieder geöffneten Schule in Randers.

© Bo Amstrup/Reuters

Kinder wieder im Unterricht: Macht das Modell Dänemark Schule?

Die Regierung in Kopenhagen hat die Schulen wieder geöffnet. Die Kinder müssen sich alle zwei Stunden die Hände waschen – und weitere strikte Regeln befolgen.

Ob, wann und wie die Schulen wieder öffnen sollen, ist in Deutschland heftig umstritten. Viele befürchten, dass die Zahl der Infektionen erneut stark ansteigt, wenn die Kinder wieder in Klassenverbänden unterrichtet werden, in den Pausen zusammen spielen und die öffentlichen Verkehrsmittel bevölkern.

Das Nachbarland Dänemark ist einen Schritt weiter. Für Hunderttausende kleine Kinder in Dänemark ist am Mittwoch ein wenig Normalität zurückgekehrt: Als erstes Land Europas, das sich in der Coronavirus-Krise zu einem Lockdown entschlossen hatte, öffnete die Regierung Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen bis zur fünften Klasse wieder – unter strengen Auflagen. Für die älteren Schüler gibt es nach wie vor Digitalunterricht. Für sie soll am 10. Mai die Schule wieder losgehen.

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Mit diesem Schritt will Frederiksens Regierung vor allem die Eltern entlasten, die ihre Kinder in den vergangenen vier Wochen zu Hause betreuen oder gegebenenfalls Betreuung sicherstellen mussten – und die Wirtschaft stützen. Es gebe in Dänemark viel zu tun, hatte Frederiksen gesagt.

Der Schritt der Regierung in Kopenhagen gilt zunächst für die knapp 400.000 Schüler der Jahrgangsstufen null – die dänische Vorschulklasse – bis fünf und der rund 250.000 Kinder in den Tageseinrichtungen, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.

Mit dem gewohnten Alltag hat das Schulleben für die Kleinen in Dänemark aber wenig zu tun, denn es gelten strikte Vorgaben: Pro Kind soll es in Kitas sechs, in Schulen vier Quadratmeter Fläche geben, an Tischen sollen sie zwei Meter voneinander entfernt sitzen, draußen dürfen sie höchstens in Fünfergruppen zusammen sein.

Gut gelaunt: Premierministerin Mette Frederiksen besuchte eine Schule.
Gut gelaunt: Premierministerin Mette Frederiksen besuchte eine Schule.

© imago images/Ritzau Scanpix/PhilipxDavali

Die Kinde dürfen kein Essen teilen, keine Süßigkeiten und müssen sich mindestens alle zwei Stunden die Hände waschen. Spielzeuge, Toiletten, Tische, Griffe und Schalter müssen zwei Mal am Tag gereinigt und desinfiziert werden. Wer sich krank fühlt oder einen Coronavirus-Fall in der Familie hat, soll zu Hause bleiben.

Die Regierung in Kopenhagen hatte im Gegensatz zur Regierung in Schweden, wo es vergleichsweise wenig Einschränkungen gibt, in der Coronavirus-Krise früh reagiert. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte schon am 14. März die Grenzen des Landes mit seinen 5,8 Millionen Einwohnern geschlossen.

Viele Maßnahmen in Dänemark bis 10. Mai verlängert

Auch Bars, Cafes und Restaurants sowie Theater, Kinos und andere Kultur- und Sporteinrichtungen sind dicht. Versammlungen mit mehr als zehn Personen sind verboten, Großveranstaltungen bis Ende August untersagt. Und all diese Maßnahmen wurden gerade erst bis zunächst zum 10. Mai verlängert.

Offenbar zeigen die Beschränkungen in Dänemark Wirkung. Jede mit dem Virus infizierte Person steckt derzeit nach Behördenangaben im Durchschnitt nur noch 0,6 andere Menschen an – vor Beginn der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hatte dieser Wert noch bei 2,4 gelegen. Einen Wert von unter 1,0 wird auch in Deutschland angestrebt. Wissenschaftler und Politiker hoffen, dass dann die Pandemie über kurz oder lang abnimmt.

[Mehr zum Thema: Was ändert sich, was bleibt wie es ist? Das haben Bund und Länder beschlossen]

„Ich bin tief beeindruckt, wie schnell es einer Schule wie dieser hier geglückt ist, sich von geschlossen auf wieder offen umzustellen“, sagte Frederiksen dem Sender TV2 der dpa zufolge, als sie sich am Miitwochmorgen in der Lykkebo Skole im Westen von Kopenhagen ein Bild von den Schulöffnungen machte. „Die Kinder freuen sich sehr, ihre Kameraden wiederzusehen.“ Später schrieb sie auf Facebook, es sei fantastisch, zu sehen, wie gut sich die Lehrer und Schüler auf die neue Situation eingestellt hätten.

Nicht alle Schulen in Dänemark können Auflagen erfüllen

Die strengen Auflagen waren aber auch ein Grund dafür, dass am Mittwoch nicht überall der Unterricht wieder angelaufen war. Kleinere Schulen stellte besonders die Abstandsregel vor organisatorische Probleme.

Nächste Woche sollen dann alle am Neustart beteiligt sein. An einigen Schulen soll dann in Schichten unterrichtet werden: vor- und nachmittags. Wie die ARD online berichtet, konnten einer Umfrage des dänischen Kommunalverbandes zufolge Kitas und Kindergärten zunächst nur in 52 von 83 befragten Kommunen geöffnet werden, bei Schulen seien es 46 gewesen.

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Die ARD zitierte aus dem schwedischen Rundfunk die Kopenhagenerin Elisabeth Skylare, deren Tochter in die dritte Klasse geht. „Wir sind sehr froh, denn unsere Tochter sehnt sich nach ihren Freunden und der bekannten Routine. Ich habe absolut keinen Zweifel daran, dass es funktionieren wird. Die Kinder hatten schließlich vier, fünf Wochen Zeit zu lernen, die Hände zu waschen und Abstand zu halten.“

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Auch Norwegen plant Lockerungen für die Schüler und Eltern. In dem Land mit seinen 5,4 Millionen Einwohnern sollen am dem 20. April zuerst die Kindergärten wieder geöffnet werden, eine Woche darauf die Schulen für die Klassen eins bis vier. In Schweden waren bisher weder Kitas noch Grundschulen überhaupt geschlossen. Nur für Oberstufenschüler und an den Universitäten gibt es digitalen Unterricht.

Deutlich höhere Coronavirus-Fallzahlen in Schweden

Dänemark und Norwegen konnten die Kurve der Neuinfektionen drücken. In Dänemark gab es den Angaben der amerikanischen Johns Hopkins Universität zufolge Stand Donnerstagmittag 6876 bestätigte Infektionen und 309 Todesfälle, in Norwegen sind es 6798 positiv getestete Patienten und 150 Tote.

In Schweden mit seinen rund 10, 2 Millionen Einwohnern sind die Zahlen deutlich höher. Es gibt 11.927 bestätigte Infektionen und 1202 Tote im Zusammenhang mit Covid-19, die meisten davon in Stockholm. Die Regierung in Stockholm und die sie beratenden Experten zeigen sich mit Blick auf die Entwicklung dennoch optimistisch.

Hintergrund zum Coronavirus:

In Dänemark gibt es der ARD zufolge aber auch Bedenken. Vorschulen, die sonst Platz für 45 Kinder haben, dürfen nach den neuen Regeln nur noch 15 aufnehmen. Eltern unter anderem in Kopenhagen sind aufgerufen, zunächst einmal bei der Verwaltung nachzufragen, ob es überhaupt Platz gibt für ihre Kinder. Es werde zwar versucht, zusätzlichen Platz für Tagesbetreuung unter anderem in Museen und unter freiem Himmel auf Spielplätzen zu schaffen.

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Aber viele Eltern befürchten dem Bericht zufolge, dass ihre Arbeitgeber kein Verständnis dafür hätten, wenn sie die Kinder trotz wieder geöffneter Kitas und Schulen noch zu Hause behalten und sie daher nicht zur Arbeit kommen könnten. Und eine Eltern-Petition dagegen sammelte bis Dienstag 18.000 Unterschriften, wie die Deutsche Welle online berichtete. Viele Eltern befürchten demnach, die Kinder könnten das Virus in die Familien tragen.

„Um Dänemark vorsichtig und kontrolliert öffnen zu können, müssen wir eine Gratwanderung wagen. Es gilt, pragmatisch, realistisch und verantwortungsvoll zu planen und zu handeln“, hatte Ministerpräsidentin Frederiksen bei der Vorstellung ihrer Pläne für die Lockerung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus gesagt. Nicht nur die Dänen werden gespannt auf den Neustart an den Schulen schauen. 

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