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Kirche und Arbeit: Putzen und pflegen geht nicht zum Nulltarif

In immer mehr Haushalten erledigen Migranten die Hausarbeit oder pflegen ältere Angehörige. Meistens arbeiten sie schwarz und ohne arbeitsrechtlichen Schutz. Die Politik schaut weg. Ein Skandal, finden die katholischen Bischöfe.

In jedem Haushalt fällt Arbeit an. Es wird gekocht, es muss geputzt werden, Kinder und ältere Menschen müssen versorgt werden. Immer häufiger erledigen Migranten diese Arbeiten. In 90 Prozent der Fälle arbeiten sie „schwarz“ und ohne jeglichen Arbeitsschutz.

„Die Arbeitsbedingungen dieser ‚domestic workers’ sind von den Mindeststandards des Arbeitsrechts weit entfernt“, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Studie „Wen kümmert die Sorgearbeit? Gerechte Arbeitsplätze in Privathaushalten“. Die Deutsche Bischofskonferenz hat in Auftrag gegeben. Die Studie sieht ein „erhebliches Gerechtigkeitsdefizit“ im Bereich der Haushaltsarbeiterinnen (in der Regel sind es Frauen). Was die 24-Stunden-Pflegekräfte angeht, handle es sich sogar oft um „entwürdigende Arbeitsverhältnisse“. Schätzungsweise 300 000 bis 400 000 Pflegekräfte meist aus Mittel- und Osteuropa leben in deutschen Familien und pflegen die älteren Generation (so genannte „Live-ins“). Nicht wenige der „domestic workers“ seien auch Opfer von Menschenhandel.

Deutschland hat das UN-Arbeitsschutzabkommen für Haushaltshilfen ratifiziert - doch mit Ausnahmeklausel

Die „gerechte und humane Organisation“ dieser Tätigkeiten sei eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Doch bisher werde das Thema in Deutschland sehr vernachlässigt. „Jeder weiß, wie viel in diesem Bereich im Argen liegt, aber alle schauen weg, weil es die kostengünstigste Variante ist“, sagte der Frankfurter Ethiker und Sozialphilosoph Bernhard Emunds am Donnerstag in Berlin. Er hat die Studie federführend erarbeitet.

Die Bischofskonferenz sieht dringenden Handlungsbedarf, denn die Zahl der Haushaltsarbeiterinnen steigt dramatisch: Nach Angaben der UN-Organisation ILO (International Labour Organization) in Genf gab es 1995 weltweit 33,2 Millionen Beschäftigte in Privathaushalten (davon 29 Millionen Frauen). 2010 waren es 52,6 Millionen (davon 44 Millionen). „Auch in den deutschen Haushalten klafft eine große Versorgungslücke“, sagt Emunds. Denn Hausarbeit und die Versorgung von Kindern und Großeltern sei nach wie vor weitgehend Frauensache und kulturell schlecht angesehen. Weil immer mehr Frauen erwerbstätig  sind und die Männer ihren Anteil an der Arbeit „nur geringfügig erhöhen“, wachse die Versorgungslücke immer weiter.  

Die Versorgungslücke wächst weiter

2011 hat sich die ILO erstmals mit den Arbeitsbedingungen der Haushaltsarbeiterinnen beschäftigt und das Übereinkommen „Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte“ verabschiedet. Es plädiert dafür, bezahlte Hausarbeit in Privathaushalten als Erwerbsarbeit anzuerkennen und Haushaltshilfen mit anderen abhängig Beschäftigten gleichzustellen. Die Bundesregierung hat das Übereinkommen ratifiziert, im September 2014 ist es in Kraft getreten. Bei der Ratifizierung hat die Bundesregierung aber die Klausel eingefügt, wonach Live-in-Pflegekräfte von den Schutzbestimmungen des Abkommens ausgenommen sein sollen. Denn für sie gilt auch nicht das deutsche Arbeitszeitgesetz. „Doch gerade bei diesen Pflegekräfte weichen die Arbeits- und vor allem Ruhezeiten massiv von den Bestimmungen des ILO-Übereinkommens ab“, sagte Studienleiter Bernhard Emunds. Im September muss die Bundesregierung die Fortschritte bei der Umsetzung des Abkommens an die ILO berichten – und auch die Gründe für die Ausnahme darstellen.  

 Es gibt auch positive Seiten: Die Löhne der Frauen stabilisieren die Volkswirtschaft im Heimatland

Die Auslagerung der Haushalts- und Pflegetätigkeiten an Migranten hat auch positive Seiten. Die Löhne der Frauen seien eine wichtige Einkommensquelle für die zurückgebliebenen Familien in den Herkunftsländern. Sie tragen dort viel zum Bruttosozialprodukt bei und zur Stabilisierung der Devisen- und Finanzmärkte. Die Arbeit im Ausland sei für viele Frauen außerdem eine willkommene Möglichkeit, sich von Zwängen der eigenen Familien zu emanzipieren.

Die Kosten für die Herkunftsländer seien aber ebenso hoch: Familien würden auseinander gerissen, die „Versorgungslücke“ werden also nur verlagert. Und oft gingen gerade die gut Qualifizierten ins Ausland.

Die katholische Kirche fordert deshalb, die Bundesregierung dürfe nicht länger zuschauen, wie das Arbeitsrecht ausgehöhlt und die Schutzlosigkeit von Arbeitsmigranten ausgenutzt wird. Positive Beispiele für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Bereich gibt es in Österreich, Holland oder Belgien. In Österreich wird ein höheres Pflegegeld bewilligt, wenn Pflegekräfte mit im Haushalt leben. Die Auszahlung des höheren Pflegegeldes könnte man an die Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards wie zum Beispiel Ruhezeiten koppeln.

In Österreich zahlt die Pflegeversicherung mehr, wenn eine Pflegekraft mit im Haushalt lebt

In Belgien können Privatpersonen, die im Haushalt Hilfe benötigen, zu einem günstigen Preis bei einer staatlichen Agentur Dienstleistungsschecks erwerben und sie bei spezialisierten Unternehmen einlösen. Im Umfang der Schecks stellen die Unternehmen Mitarbeiter zur Verfügung. Sie sind bei den Dienstleistungsunternehmen regulär beschäftigt, sozial versichert und zahlen Steuern.

„Doch nicht nur die Politik ist gefordert“, sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der in der Bischofskonferenz für weltkirchliche Belange zuständig ist. Jeder einzelne, der eine polnische Putzfrau beschäftigt oder eine Pflegerin aus Tschechien, müsse sich im Klaren sein, dass er ein Arbeitgeber ist und Verantwortung trägt.

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