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Bereit. Ab Mittwoch kommen 100 000 Dauerteilnehmer zum Kirchentag nach Stuttgart und sitzen bei Veranstaltungen in Messehallen auf diesen Papphockern.

© dpa

Kirche und Familie: Reizwort "Gender"

Auf dem Evangelischen Kirchentag in Stuttgart könnte es bei den Themen Sexualität und Homo-Ehe zum Streit kommen.

Es wird eng werden am Stuttgarter Hauptbahnhof. Am Mittwochabend kommen 250 000 Gäste zur Eröffnung des Evangelischen Kirchentags in die schwäbische Landeshauptstadt. Bis Sonntag werden 100 000 Dauerteilnehmer erwartet. Viele werden den Zug nehmen – und erst mal auf einer Großbaustelle stranden. „Stuttgart 21“ – das umstrittene Bahnhofs-Großprojekt hat die Stuttgarter „Wutbürger“ bekannt gemacht. Jetzt wird der neue Bahnhof gebaut, was auch schon ohne Kirchentag zu Chaos und extrem langen Wegen führt.

„Aus Stuttgart 21 klug werden – Können Großprojekte Demokratie?“, fragt ein Kirchentags-Podium. Doch die Kämpfe um den Bahnhof sind weitgehend ausgekämpft. Zu harten Konfrontationen könnte es an anderer Stelle kommen: bei den zahlreichen Veranstaltungen, die sich um alte und neue Familienbilder drehen, um Sexualität und Homo-Ehe. Es gibt kein Familienzentrum, dafür aber erstmals auf einem Kirchentag ein Zentrum „Gender“ und ein Zentrum „Regenbogen“, in dem „mit der Bibel gegen Homophobie“ gekämpft, die „Angst vor der Vielfalt von Beziehungsformen“ genommen und „Familie neu buchstabiert“ werden soll.

Auch Frieden und Flüchtlinge spielen eine große Rolle

Jeden Nachmittag tragen außerdem Theologen, Politiker und Soziologen in einer Podienreihe den „Streit um die Familie“ aus. Für etliche pietistisch geprägte Protestanten dürfte das ein bisschen zu viel Öffnung und Vielfalt sein. Und die frommen Pietisten sind in der württembergischen Landeskirche mit ihren 2,1 Millionen Mitgliedern immer noch in der Mehrheit.

Auch die globalen Krisen und Konflikte prägen das Kirchentagsprogramm. Kirchentagspräsident Andreas Barner, Chef des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, spricht von einem Dreiklang „Frieden und Flüchtlinge“, „Wirtschaft und Werte“ sowie „Demokratie und Daten“. Etliche Diskussionsrunden beschäftigen sich auch mit der Frage, wie man verhindern kann, dass sich fundamentalistische Strömungen in den Religionen durchsetzen.

Angela Merkel spricht über Digitalisierung

Auch viel politische Prominenz kommt an den Neckar. Am Donnerstag spricht unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck mit dem Soziologen Hartmut Rosa darüber, was die Politik für das Zusammenleben tun kann. Am Freitag diskutiert Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm über das geplante TTIP-Abkommen. Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) will sich mit Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt über das Kirchenasyl auseinandersetzen. Auf dem Weg zum G-7-Gipfel im bayerischen Elmau am Wochenende schaut am Freitagvormittag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem meist sehr dankbaren Kirchentagspublikum vorbei und macht sich Gedanken über die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Mit dem „Forum Reformation“ schauen die Protestanten auch schon auf das Großereignis 2017 voraus. Dann jährt sich Martin Luthers Thesenanschlag zum 500. Mal, was mit einem großen Christusfest in Wittenberg und Berlin sowie bundes- und weltweiten Aktionen bedacht und gefeiert werden soll.

Der Kirchentag steht diesmal unter dem Motto „damit wir klug werden“. „Lehre uns zu bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, lautet der vollständige Vers aus Psalm 90. Aus 2500 Veranstaltungen die passenden auszuwählen, schon allein dazu gehört ein bisschen Klugheit.

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