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Politik: „Kirche wird Sprachrohr der Arbeitgeber“

Sozialethiker Hengsbach empört über Äußerungen aus der Bischofskonferenz / Blüm: Zweifel am Heiligen Geist

Berlin . Der ehemalige Bundessozialminister Norbert Blüm und der Frankfurter Sozialethiker Friedhelm Hengsbach haben der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz vorgeworfen, sie mache sich zum Sprachrohr der Arbeitgeberverbände und wolle das Sozialwort der Kirchen von 1997 begraben. Wer die jüngsten Äußerungen des Sekretärs der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, lese, „der zweifelt an dem Heiligen Geist“, sagte Blüm dem Tagesspiegel. Die Aufgabe der Kirche sei es, Anwalt der Schwachen zu sein, betonte der CDU-Politiker. Stattdessen biedere sie sich dem Zeitgeist an und habe sozialpolitisch die Seiten gewechselt.

Langendörfer hatte am Montag in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, Arbeitslosen müsse mehr zugemutet werden. „Aus Sicht der Arbeit Suchenden zählt dazu sicher die Pflicht, niedriger bezahlte oder vom Wohnort weiter entfernte Arbeit anzunehmen.“ Zudem hatte er offensiv die Frage gestellt, ob nicht über geringere Tariferhöhungen und neue Regeln des Kündigungsschutzes nachgedacht werden müsse.

Die Kirche leide an Gedächtnisschwund und mache sich mit solchen Äußerungen zum Vertreter „modischer Modernität“, kritisierte Blüm. „Jeder, der modern sein will, hackt heute auf dem Sozialstaat herum und macht ihn madig.“ Das Wort Gerechtigkeit sei zu einem altmodischen Tabuwort geworden. Wer es benutze, werde als Betonkopf oder als Dummkopf tituliert. Auch an Langendörfers Forderung nach mehr Mobilität übte Blüm Kritik. Wer so lebe und Arbeitsplätzen hinterherreise wie die Schwalben der Sonne, der müsse verzichten auf menschliche Erfahrungen wie Freundschaft, Nachbarschaft und Ehe.

Diese negativen Auswirkungen von umfassender Mobilität aber seien zentrale kulturelle Fragen. Die Würde der Person, Gerechtigkeit und Solidarität, das seien die Themen der Kirche, statt über schärfere Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose zu parlieren.

Hengsbach nannte die Ansichten Langendörfers in der „Saarbrücker Zeitung“ „ökonomisch dumm, sozial ungerecht und verantwortungslos“. Mit dieser Stellungnahme habe die Deutsche Bischofskonferenz ihre „Option für die Armen“ durch die „Option für die Arbeitgeber“ ersetzt, sagte er. Dem Tagesspiegel erklärte Hengsbach, die katholische Kirche suche offenbar „den Anschluss an die ökonomischen und politischen Führungseliten und stützt sich nicht mehr auf das, was Caritas und Diakonie aus dem Sozialalltag in Deutschland berichten“. Hengsbach forderte stattdessen die Arbeitgeber auf, allen jungen Leuten eine Lehrstelle anzubieten und sie in das Beschäftigungssystem zu integrieren.

Der Deutsche Caritasverband in Freiburg warnte unterdessen vor einer „plumpen Missbrauchsdiskussion, die an dem Kern des Problems vorbeigeht“. Nach den Worten seines Generalsekretärs Georg Cremer gibt es bei den jüngsten Reformgesetzen ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Fordern und angemessenem Fördern. Nach Auffassung der Caritas sind Einkommensverluste und verstärkte Anforderungen an Eigenleistung und Eigenverantwortung nur dann zu vertreten, wenn gleichzeitig individuelle Förderung und Eingliederungshilfen zur Verfügung stehen.

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