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Preisträger und Preisnamensgeber unter sich: Hans-Dietrich Genscher, Henry A. Kissinger und Giorgio Napolitano am Mittwoch in der Villa der American Academy am Wannsee.

© Annette Hornischer/American Academy

Kissinger-Preis an Genscher und Napolitano: Drei Männer am See

Ein Abend wie aus der Zeit gefallen: Ein deutscher Außenminister (88) und ein italienischer Staatspräsident (90) erhalten in Gegenwart eines US-Außenministers (92) einen Preis.

Mittwochabend in der American Academy am Wannsee. Ob so etwas im Mutterland auf der andern Seite des Atlantik noch möglich wäre? Zwei ziemlich alte weiße Männer erhalten einen Preis, der den Namen des dritten, noch älteren Anwesenden trägt. Doch die Verdienste, die hier geehrt werden sollen, gehören in die Zeit des Kalten Krieges, als die Welt noch frei war von Gender und Gedöns.

Fast, als regierten sie noch

Für Italiens Ex-Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, den früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und den Herrn in ihrer Mitte, den früheren US-Außenminister Henry Kissinger, liegen diese Zeiten offensichtlich nicht so weit zurück. Als Genscher in der Pressekonferenz nach seiner Sicht auf Griechenland und die europäische Krise gefragt wird, antwortet er, als habe in der Bundesregierung nur die Chefin gewechselt. Meint sein „wir“ und „uns“ die Deutschen oder doch eher „uns“ in Bonn? Und Kissinger, Namensgeber des Preises, der den beiden alten Freunden hier verliehen wird, lässt nach Napolitanos Statement höflich Genscher als „zweitem europäischen Leader“ den Vortritt.

Der alte Herr und die Liebe zur Stabilität

„Für seinen herausragenden Beitrag zur friedlichen Beilegung des Kalten Krieges und zur deutschen Einheit“ soll er geehrt werden, heißt es in der Begründung, Napolitano „für seine außergewöhnlichen Beiträge zu Integration und Stabilität Europas“. Beigelegt, stabilisiert: Die Frage einer italienischen Journalistin nach der Ukraine thematisiert vielmehr die Zerbrechlichkeit dieser Stabilität heute. Italienern dürfte das Lob für die Liebe Napolitanos zur Stabilität zudem etwas schrill in den Ohren klingen: Nicht alle Landsleute waren glücklich über „King George“, der von 2006 bis 2015 nicht nur am längsten amtierte, sondern der auch der am meisten regierende aller Staatspräsidenten in der italienischen Nachkriegsgeschichte war. Unter Vermeidung von Neuwahlen - es ging schließlich um Stabilität - setzte er in dieser Zeit gleich drei sogenannte "Techniker"-Regierungen nach eigenem Gusto ein. In Berlin erinnert sich Napolitano in gepflegtem Englisch gern an die Liebe zu Amerika seit Kindesbeinen und eine „freundliche und geheime Beziehung“ zum US-Botschafter in Rom in den 70er Jahren, Dick Gardner. Seinen Genossen in der Kommunistischen Partei Italiens hätte das wenig gefallen. Dass Napolitano desto mehr in Amerika gefiel, wussten sie eh.

Von Mann zu Mann

Auch die Laudationes sprechen zwei würdige Herren. Genschers Laudator Frank-Walter Steinmeier mag’s ein wenig staatstragender als der von Napolitano, Giuliano Amato, ein Altgedienter der italienischen Politik, mehrfach Premier und vom Preisträger kurz nach seiner Wiederwahl zum Verfassungsrichter befördert. Der amtierende deutsche Außenminister erzählte vom langen Schatten „Genschmans“ im Auswärtigen Amt mit einer Anekdote: Das Wlan-Passwort im Amt sei „LLWSZIG“, die Worte Genschers an die DDR-Bürger 1989 in Prag: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ......“ Und kündigte auch listig gleich das Ende der Ära Genscher an: Nachdem er dies nun öffentlich gemacht habe, so Steinmeier, werde man das Passwort selbstverständlich ändern müssen.

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