zum Hauptinhalt
Am Mittwoch beschloss der Landtag in Nordrhein-Westfalen, den Unterricht im Land flächendeckend anzubieten.

© dpa

Klares Bekenntnis: Islamischer Religionsunterricht in NRW eingeführt

Nordrhein-Westfahlen beginnt mit der Einführung des islamischen Religionsunterrichts - und erkennt Muslime erstmals als Religionsgemeinschaft an.

Vom nächsten Jahr an wird es erstmals islamischen Religionsunterricht als ordentliches Fach an deutschen Schulen geben. Der nordrhein-westfälischen Landtag änderte am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungsfraktionen SPD und Grüne, aber auch der oppositionellen CDU, das Landesschulgesetz entsprechend. Für muslimische Kinder wird nun im größten deutschen Flächenland bekenntnisorientierter Religionsunterricht auf Deutsch möglich – so wie für ihre evangelischen oder katholischen Mitschülerinnen und Mitschüler.

Die praktischen Folgen der Entscheidung werden vorerst übersichtlich sein. Wenn die Novelle am 1. August nächsten Jahres, zu Beginn des neuen Schuljahrs, in Kraft tritt, werden nicht sofort alle geschätzt 320 000 muslimischen Schüler im Land auch „Reli“ wählen können. Noch fehlt das Personal dafür: Mit „grundständig ausgebildeten Lehrkräften“, so das Gesetz, sei erst ab 2017 zu rechnen.

Viel größer ist jetzt allerdings schon der symbolische Wert der nordrhein- westfälischen Entscheidung: Erstmals ist die Selbstorganisation der Muslime als Gesprächspartner des Staates anerkannt; der Islam wird erstmals – noch nicht juristisch, aber faktisch – als Religionsgemeinschaft behandelt.

An dieser Statusfrage scheiterten bisher sämtliche Versuche, dem Islam eine Rolle im deutschen Religionsverfassungsrecht zu geben. Das Grundgesetz spricht zwar neutral von „Religionsgemeinschaften“, faktisch waren das aber aus Sicht des Staates nur die Kirchen mit ihrer zählbaren Mitgliedschaft und ihren festen Strukturen. Gleichzeitig leben aber schätzungsweise vier bis fünf Millionen Muslime in Deutschland. Deren Verbände – vor allem die vier großen, die seit 2007 im „Koordinationsrat der Muslime“ (KRM) zusammengeschlossen sind – argumentierten dagegen, dass entscheidend die religiöse Praxis in den Moscheegemeinden sei. Und in diesem Sinne verträten sie 80 Prozent der Muslime.

Zur Lösung wurde ein Beirat eingerichtet

Nordrhein-Westfalens neues Schulgesetz ist dem Problem jetzt durch die Einrichtung eines „Beirats“ beigekommen. Das achtköpfige Gremium wird, wie sonst die Kirchen, Ansprechpartner des Schulministeriums sein, wenn Lehrpläne ausgearbeitet, Personal und Schulbücher ausgewählt werden. Der Beirat soll aus vier „theologisch, religionspädagogisch oder islamwissenschaftlich qualifizierten Vertreterinnen und Vertretern“ der organisierten Muslime bestehen und vier weiteren in gleicher Weise qualifizierten Personen, die „im Einvernehmen mit den islamischen Organisationen in Nordrhein-Westfalen oder deren Zusammenschluss bestimmt werden“.

In der Begründung des Gesetzes heißt es ausdrücklich, dass damit der KRM gemeint sei – nur über diese Selbstorganisation seien die Muslime möglichst umfassend einzubeziehen. Die Beiratslösung soll vorerst sieben Jahre lang gelten. Dann sollen die Muslime zweifelsfrei als Religionsgemeinschaft organisiert sein.

Mounir Azzaoui, Mitgründer der muslimischen Arbeitskreises der Grünen, der die Entwicklung der letzten Monate in NRW begleitete, hält den Kompromiss für fair. Am Ende des Prozesses könne die volle Anerkennung stehen. Womöglich gibt es die Voraussetzungen dafür aber schon jetzt: Christian Walter, Spezialist für Religionsverfassungsrecht an der Universität München und Gutachter im Düsseldorfer Gesetzgebungsverfahren, nannte es in seinem Gutachten „wohl unstreitig“, dass viele Moscheegemeinden bereits Religionsgemeinschaften zu sein. Um als solche ihre Rechte wahrzunehmen, dürften sie auch Dachorganisationen gründen. Im Übrigen werde sich die religionsfreundliche deutsche Rechtspraxis nur halten lassen, wenn sie nicht zum Privileg einzelner – sprich der Kirchen – werde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false