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Politik: Klaus Töpfer, Umweltbeauftragter der UN, klagt an: Der Kontinent ist Opfer einer ökologischen Aggression

Eines stellte der Hauptredner rasch klar: "Das hier ist nicht das Wort zum Sonntag." Und es waren auch nicht irgendwelche Umwelt- und Friedensbewegte, die sich da kürzlich selbstbeschwörend die Frage stellten: "Ist uns Afrika egal?

Von Markus Hesselmann

Eines stellte der Hauptredner rasch klar: "Das hier ist nicht das Wort zum Sonntag." Und es waren auch nicht irgendwelche Umwelt- und Friedensbewegte, die sich da kürzlich selbstbeschwörend die Frage stellten: "Ist uns Afrika egal?" Nein, hier trat ein ehemaliger CDU-Minister vor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Bonn auf; einer, dem politisch-moralische Schwärmerei gewiss nicht nachgesagt werden kann. Klaus Töpfer. Er war einst im Kabinett Kohl für Umwelt, Regierungsumzug und Bauen zuständig, jetzt ist er Leiter des Umweltamtes der Vereinten Nationen in Nairobi und als "Untergeneralsekretär" der ranghöchste deutsche UN-Repräsentant. Töpfer diskutierte im Vorfeld des EU-Afrika-Gipfels mit Militärs und anderen Sicherheitsexperten über die Probleme und Chancen des "vergessenen" Kontinents.

Angesichts der auch beim Gipfel im Mittelpunkt stehenden Schuldendiskussion, stellte Töpfer die ketzerische Frage, wer denn hier bei wem Schulden habe. Afrika sei nicht nur das Opfer von Sklaverei und Kolonialismus, sondern auch - und viel aktueller - einer "ökologischen Aggression". Katastrophen wie die Sintflut in Mosambik seien von Menschen gemacht, Folge des massenhaften Kohlendioxid-Ausstoßes in den Industrieländern. Genauso schlimm wie solche Naturereignisse sei der schleichende ökologische Verfall.

Was uns das angeht? Töpfer wartet mit weiteren Zahlen auf, wie gemacht, um den von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik propagierten "erweiterten Sicherheitsbegriff" zu untermauern: 1950 war die Bevölkerung Europas dreimal so groß wie die Afrikas, im Jahr 2000 steht es derzeit ungefähr eins zu eins, und 2050 wird es dreimal so viele Afrikaner wie Europäer geben - mit dem entsprechenden Wanderungsdruck aus dem armen Süden in den reichen Norden. "Der Maghreb wird das Mexiko Europas", ergänzt Rainer Tetzlaff, Afrika-Experte von der Universität Hamburg.

Dieser wachsenden Bedrohung steht ein zurückgehendes Engagement gegenüber, die mit der Abwertung Afrikas als geopolitischem Standort nach Ende des Kalten Krieges einhergeht. Botschaften und Institute werden geschlossen, die Mittel der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit beschnitten. Töpfer sprach von einem "historischen Tiefstand öffentlicher Entwicklungshilfe". Tetzlaff nannte Afrika den "Verlierer der Globalisierung". Dabei habe der Kontinent viel zu bieten, etwa eine Artenvielfalt, die im Hinblick auf die Zukunftsbranche Biotechnologie immer wichtiger wird. Töpfer warnte allerdings vor einer neokolonialen Ausbeutung dieser neuen Rohstoffe. Die Herren Generäle waren beeindruckt. Niemand widersprach.Siehe auch Buchbesprechung: Fremdes Afrika

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