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Klausurtagung: Die Mängelliste der Koalition

Die schwarz-gelbe Bundesregierung geht zwei Tage in Klausur. Welche Baustellen müssen bearbeitet werden?

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Klausuren sind wichtig. Und sie sind nötig, vor allem für ein gerade erst gebildetes Bundeskabinett. Man muss sich kennenlernen, auch persönlich. Weshalb eine mehrtägige Klausur fernab der Hauptstadt zu gemeinsamen Geselligkeiten genutzt werden soll, „Teambildung“ ist der Auftrag. Und man muss den Fahrplan für die eigene Arbeit der nächsten Monate festlegen. Ins Schloss Meseberg in Brandenburg fahren deshalb am heutigen Dienstag alle Kabinettsmitglieder. Und mit Angela Merkel und Guido Westerwelle auch die Parteivorsitzenden. Lediglich der Chef der CSU, Horst Seehofer, wird fehlen. Nicht dabei sind auch die Fraktionsvorsitzenden der Koalition. Sie, so hieß es, hätten daran auch gar kein Interesse. Was verständlich ist, wenn man weiß, dass solche Klausuren die Anwesenden bei Beschlüssen auch bindet, was Fraktionschefs, deren Fraktionsmitglieder das Regierungshandeln nicht unterstützen wollen, schon mal mächtig in die Bredouille bringen könnte.

Koalitionsklima

Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Stimmung innerhalb des Kabinetts und der schwarz-gelben Koalition und ihrer Wirkung nach außen ist offenbar riesengroß. Während es seit dem Beginn der Koalitionsverhandlungen und auch nach dem Vertragsabschluss kaum einen Tag gibt, an dem Vertreter von CDU, CSU und FDP nicht mit divergierenden Ansichten in den Medien auftauchen und sich zur Einhaltung des Vertrages ermahnen, behaupten die Beteiligten, man arbeite außerordentlich konstruktiv und professionell zusammen. Weshalb es zum Beispiel auch möglich gewesen sei, dass das Bundeskabinett bereits zwei Wochen nach der Regierungsbildung den Gesetzentwurf zum „Wachstums-Beschleunigung-Gesetz“ hat verabschieden können. Wo doch im Normalfall allein die interministerielle Befassung mit einem solchen Gesetzentwurf Monate dauere. Dennoch gibt es Streit.

Steuern und Haushalt

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird während des trauten Treffens wohl als Erster für Unruhe sorgen. Von ihm wird ein Lagebericht zum Bundeshaushalt 2010 und zu den Folgejahren erwartet. Daraus ergibt sich fast automatisch der finanzielle Spielraum für die geplante Steuerreform. Auch wenn die nächste Steuerschätzung im Mai erst die Grundlage für die Pläne weiterer Entlastungen ab 2011 werden soll: Schäuble wird schon jetzt den Spielraum für Entlastungen und Tarifänderungen benennen. FDP-Chef Guido Westerwelle ließ Bereitschaft erkennen, über den Umfang zu verhandeln. Frei nach dem früheren Kanzler Helmut Kohl (CDU) sagt er: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Allerdings gibt es einen Haken. Union und FDP haben die heiklen Stellen so formuliert, dass sich beide Seiten wiederfinden können. Strittige Fragen lassen sich unterschiedlich interpretieren. Merkel nannte in ihrer Regierungserklärung das Jahr 2011 für zusätzliche Entlastungen. Letztlich wird wohl die Kassenlage entscheiden. Im Koalitionsvertrag steht „möglichst 2011“.

Streit droht nicht nur beim Zeitpunkt der geplanten Entlastungen. Auch beim Umfang ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP 24 Milliarden Euro Entlastung ab 2011 vereinbart. Nun allerdings will die CDU die im Wachstums-Beschleunigungsgesetz ab 2010 vereinbarten Kindergelderhöhungen und Erbschafts- wie Unternehmenssteuersenkungen davon auf jeden Fall abziehen.

Ob ein Stufentarif am Ende dabei herauskommt? Die FDP ist davon nach wie vor überzeugt. Bei der CDU heißt es: Damit am Ende keiner draufzahlt, muss man weit mehr als 24 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Umsetzung äußert ungewiss.

Gesundheit

Der grundsätzliche Streit über die Gesundheitspolitik wird auch in Meseberg nicht ausgeräumt werden. Sobald in den vergangenen Wochen der neue FDP–Gesundheitsminister Philipp Rösler dafür geworben hat, die Finanzierung des Gesundheitswesens auf einkommensunabhängige Prämien umzustellen, protestiert CSU-Chef Horst Seehofer umgehend. Bisher habe ihm noch niemand erklären können, woher die zweistelligen Milliardenbeträge kommen sollten, die für den sozialen Ausgleich zwischen Arm und Reich notwendig seien. Rösler soll nun bei der Klausur beauftragt werden, bis Anfang Januar eine Kommission einzusetzen, die sich mit der Gesundheitsreform befassen soll. Doch dass es deswegen zwischen den Koalitionspartner ruhiger zugehen wird, ist unwahrscheinlich. Schließlich hat die CSU eine eigene Kommission berufen.

Einig sind sich die Koalitionäre jedoch, dass sie den Krankenkassen im nächsten Jahr einen Extra-Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 3,9 Milliarden Euro überweisen wollen. Damit sollen die Ausfälle, die durch die Krise entstanden sind, aufgefangen werden. Das erwartete Defizit von rund 7,5 Milliarden Euro wird dadurch allerdings nicht gedeckt. Für viele Versicherte bedeutet das, dass 2010 auf sie Zusatzbeiträge zukommen.

Afghanistan

Das Kabinett wird die Mandate über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (International Security Assitance Force, Isaf) und für die Sicherung der Seewege am Horn von Afrika (Operation Enduring Freedom, OEF) um jeweils ein Jahr verlängern. Beide Entscheidungen müssen in der ersten Dezemberhälfte vom Deutschen Bundestag bestätigt werden. Zwar hören auch die Deutschen aus dem Mund von Nato- und US-Vertretern immer wieder die Aufforderung, die Truppenstärke der vorwiegend im Norden Afghanistans stationierten Bundeswehr-Kräfte zu erhöhen. Doch die Regierung wird an der gegenwärtigen Mandats-Obergrenze von 4500 festhalten. Dafür könnte die Zahl der deutschen Polizeiausbilder in Afghanistan steigen. Obwohl die Bundesländer zuständig sind, will Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) in Meseberg nun Vorschläge machen, wie die finanziellen Anreize erhöht und die deutschen Polizisten in Afghanistan künftig noch besser geschützt werden können.

Arbeitsmarkt

Das Kabinett will einen Fahrplan für die Reform der Jobcenter festlegen. Bis Ende 2010 muss neu geregelt werden, wie Langzeitarbeitslose künftig betreut werden sollen, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Mischverwaltung zwischen Bundesagentur für Arbeit und Kommunen für grundgesetzwidrig erklärt hatte. Außerdem sollen sich Union und FDP darüber verständigen, ab wann es verbesserte Hinzuverdienstgrenzen für Hartz IV-Empfänger geben soll. Auch auf der Tagesordnung: die geplante Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse.

Erika Steinbach

Die Liberalen und die CSU streiten nicht nur über Steuer- und Gesundheitspolitik, sondern auch mit zunehmender Heftigkeit über ein Thema mit außenpolitischer Brisanz. Schon bei seinem Antrittsbesuch in Warschau Ende Oktober hatte Außenminister Guido Westerwelle deutlich gemacht, dass er ebenso wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine Berufung der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach in den Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ablehnt. Denn die CDU-Abgeordneten, ist im Nachbarland eine Reizfigur. Seither attackieren CSU-Politiker Westerwelle. Bleibe Westerwelle dabei, sei das eine Belastung für das Regierungsbündnis, sagte CSU-Chef Seehofer. Der BdV werde am Dienstag eine Entscheidung über den Rat der Vertriebenen-Stiftungtreffen, kündigte eine Sprecherin an.

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