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Kleinkinderbetreuung: In Norwegen ist das Betreuungsgeld umstritten

Was in Deutschland diskutiert wird, führte Oslo bereits 1998 ein: Das Betreuungsgeld nutzen vor allem Unterschicht- und Einwandererfamilien - und in Norwegen immer weniger Frauen.

Falls die CSU wirklich damit gerechnet haben sollte, dass das von ihr verlangte Betreuungsgeld schnell eingeführt wird, hat ihr Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende einen Dämpfer versetzt. Merkel sagte vor der Frauen-Union, dass zunächst mehr Betreuungsplätze für Unterdreijährige geschaffen werden müssten. Wenn das geschafft sei, könne man über die Einführung eines Betreuungsgeldes diskutieren, das an Eltern ausgezahlt werden soll, die sich bewusst dafür entschieden, ihre Kleinkinder zu Hause zu betreuen.

Vermutlich kennt die Kanzlerin die norwegischen Erfahrungen. Dort ist das Betreuungsgeld 1998 eingeführt worden. In den ersten Jahren nach der Einführung kam der Ausbau von Betreuungsplätzen für Kleinkinder deutlich ins Stocken.

Immer weniger nutzen das Betreuungsgeld

In den ersten drei Jahren sei die Zusatzzahlung für Eltern, die ihre Kinder nicht oder nur Teilzeit in einen Kindergarten schickten, von nahezu 80 Prozent der Eltern genutzt worden, berichtet Arni Hole, Generaldirektorin im norwegischen Ministerium für Kinder und Gleichstellung. Inzwischen gebe es jedoch für 80 Prozent der Unterdreijährigen Kitaplätze, im kommenden Jahr will Norwegen bei 100 Prozent sein. Das Betreuungsgeld, das 23 Monate lang gezahlt wird, werde inzwischen noch von 58 Prozent der Eltern genutzt – oft in Kombination mit einem Kindergartenplatz. 20 Prozent der Leistungen werden auch noch ausgezahlt, wenn ein Kind 25 bis 32 Stunden pro Woche in die Kita geht. 100 Prozent gibt es dann, wenn die Kinder gar keinen Kindergarten besuchen. Diese Variante werde nahezu ausschließlich von Unterschicht- und Einwandererfamilien genutzt, sagt Arni Hole. Auch in einigen sehr konservativen ländlichen Regionen des Landes werde das Betreuungsgeld gerne in Anspruch genommen, sagt sie.

Wenn es nach ihr ginge, würde das Betreuungsgeld eher heute als morgen abgeschafft. Ihre Ministerin, Karita Bekkemellem, weiß Hole dabei auf ihrer Seite. Doch die Ministerin der Arbeitspartei regiert in einer Koalition, in der auch die Zentrumspartei beteiligt ist, die das Betreuungsgeld vor bald zehn Jahren eingeführt hatte und es gerne behalten würde.

Ausfallzeiten lassen Frauen zurückfallen

Kristina Jullum Hagen, Geschäftsführerin einer von Bekkemellem eingesetzten Arbeitsgruppe, die Vorschläge machen soll, wie Norwegen dem Ideal gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit näher kommen kann, führt noch ein weiteres Argument gegen das Betreuungsgeld an. Die Arbeitsgruppe hat nämlich herausgefunden, dass es vor allem die Ausfallzeiten wegen Geburten und der Betreuung von Kindern sind, die Frauen bei der Bezahlung zurückfallen lassen. Schon ein Jahr Ausstieg aus dem Beruf, das sich norwegische Frauen im Schnitt leisten, auch weil ein Jahr Elterngeld gezahlt wird, kostet sie Gehalt. "Drei Kinder sind ganz schlecht für die Bezahlung“, sagt Hagen. Deshalb gibt es in der norwegischen Regierung derzeit auch eine Diskussion darüber, ob das Elterngeld nicht wie in Island nur noch neun Monate gezahlt werden sollte, drei Monate für die Frau, drei für den Mann und drei Monate, die sich die Eltern nehmen können, wie sie wollen. Dann kämen Frauen schneller an den Arbeitsplatz zurück. Und wenn auch Männer im Schnitt mindestens drei Monate nach der Geburt eines Kindes ausfallen, würden die Unterschiede weniger ins Gewicht fallen.  

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