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© dpa

Klimagipfel-Fiasko: Das Nachspiel

Scharfe Kritik und Rücktrittsforderungen an Dänemarks Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen wegen des Klimagipfel-Fiaskos.

Connie Hedegaard hat es besser als ihr Chef. Die konservative und seit Tag eins der Klimakonferenz heftig umstrittene Verhandlungsleiterin, wurde am Sonntag ehrenvoll von Königin Margrethe aus der dänischen Politik entlassen. Am Montag früh nimmt sie die umweltfreundliche Bahn nach Brüssel, um Klimakommissarin zu werden.

Premier Lars Lokke Rasmussen bleibt zurück. „Er ist ein richtig guter Handwerker”, lobte ihn seine Frau Solrun einmal und verriet, dass ihr Mann professionell Böden auslegen und Türen austauschen kann. Der richtige Mann also für Dänemark und vielleicht auch für eine internationale Klimakonferenz. Aber nun prasselt ein regelrechtes Trommelfeuer auf Rasmussen ein. Im In- und Ausland wird der seit April amtierende Ministerpräsident für den desaströsen Verlauf der Konferenz verantwortlich gemacht. Dänische Kommentatoren werfen dem bereits zum Amtsantritt als „Umweltmuffel“ charakterisierten Premier vor, „die letzte weltweite Chance“ vertan zur haben, den Planeten zu retten. Nicht nur die afrikanischen Staaten klagen Rasmussen und Hedegaard an, vom Beginn des Gipfels an völlig undiplomatisch ihre Parteilichkeit für die reichen Nationen gezeigt zu haben.

Selbst die zurückhaltende britische BBC wirft Rasmussen nun offen vor, was manche Unterhändler großer Industrienationen am Tagungsort noch diplomatisch vorsichtig ausdrückten: arrogante Schlampigkeit. Rasmussen habe weder einen Handlungsplan gehabt noch ausreichende diplomatische Erfahrungen in der dänischen Regierungschefkanzlei zusammengetrommelt. Damit seien nicht einmal die Rahmenbedingungen für einen so wichtigen und komplexen Verhandlungsgegenstand vorhanden gewesen. Ein Amateur habe die derzeit wichtigste Aufgabe der Menschheit übernommen, so die Kritik aus dem Ausland. Auch im Inland wird Rasmussen peinliches Versagen vorgeworfen – Kritik ist selbst aus seiner rechtsliberalen Partei zu hören. Sein viel strammerer Vorgänger Anders Fogh Rasmussen, der inzwischen Nato-Chef ist, hätte alles viel besser gemacht.

Der 45-jährige Regierungschef der rechtsliberalen „Venstre“-Partei regiert, wie sein Vorgänger, mit den Konservativen und mit Unterstützung der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei. Rasmussen wurde bereits zum Amtsamtritt als gemächlicher als sein Vorgänger, ja, geradezu träge beschrieben. Wie die Königin raucht er gern. Das tat er trotz Rauchverbotes auch schon mal in seinem Arbeitszimmer im Finanzministerium, das er vorher leitete. Er ist auch kein Verächter des Alkohols. So kam heraus, dass er bei einem als „Arbeitslunch“ abgerechneten Treffen mit einem anderen Politiker 20 Gläser Schnaps und fünf Bier trank.

So etwas schienen die Dänen zunächst sympatisch und volksnah zu finden. Nun aber ist seine Popularität am Boden. Rasmussen schlief minutenlang bei Diskussionsbeiträgen und provozierte die Gipfelteilnehmer mit einer völlig unvorbereiteten Rede. Als er am letzten Tag nach den Hinterzimmerverhandlungen das mühevoll zusammengebastelte Papier als „Konsens“ der 193 beteiligten Staaten deklarierte, brach neuer Streit aus. Einige Regierungsvertreter beschimpften ihn offen.

Die nächsten Wahlen in Dänemark sind Ende 2011. Nun aber wird schon über Rasmussens Rücktritt spekuliert. In der Tat ist die Frage, ob seine Partei das Risiko eingehen wird, ihn bei den Neuwahlen kandidieren zu lassen. Zu Weihnachten werde er sich erst einmal erholen, sagte Rasmussen am Wochenende. „In drei Tagen habe ich nur zwei Stunden geschlafen. Ich bin müde, es ist genug.“ Verdient hat er sich den Urlaub nicht.

André Anwar[Kopenhagen]

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