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Geht’s auch ohne? Nein, sagt Polens Regierung. Sie setzt auf die Kohle. Foto: Reuters

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Politik: Klimaschutz im Kohleland

Polen geht es eher ums Wachstum als um die Umwelt Am Montag ist der 19. Weltklimagipfel in Warschau eröffnet worden.

Warschau/Berlin - Ein angeblicher Sexskandal im Kopernikus-Museum, der polnische Nationalfeiertag und die sieben Wohnungen des Danziger Stadtpräsidenten beschäftigen die Polen. Der am Montag in Warschau eröffnete 19. Weltklimagipfel ist im Gastgeberland höchstens eine Kurzmeldung wert. Zwei Wochen lang bevölkern bis zu 10 000 Besucher, Unterhändler und Minister aus 195 Staaten, Umweltschützer, Presseleute und Demonstranten die polnische Hauptstadt. Wegen der Demonstranten hat Polen am Freitag für zwei Wochen die Schengenregeln außer Kraft gesetzt. An den Grenzen wird wie früher kontrolliert. Denn der Beginn des Klimagipfels fällt auf den polnischen Nationalfeiertag, der seit ein paar Jahren vor allem Neonazis zu schaurigen Aufmärschen in Warschau motiviert.

In seiner Eröffnungsrede betont der Gipfelpräsident und polnische Umweltminister Marcin Korolec, dass „ein Land keinen Unterschied bewirken“ könne, aber „gemeinsam können wir das“. Er wies auf die „große menschliche Tragödie“ auf den Philippinen hin. Doch seine eher unnachgiebige Haltung in Sachen Klimaschutz dürften die Bilder der Verwüstung nach dem Supersturm „Haiyan“ kaum beeinflussen. „Unser erstes Ziel sollte das Wirtschaftswachstum sein“, hat er kurz vor dem Gipfel erläutert.

Von Korolec stammt auch der Satz: „Europa kann nicht ohne Kohle leben“. Er wird dabei vor allem an Polen gedacht haben, das etwa 90 Prozent seiner Elektrizität mit Stein- und Braunkohle herstellt. Statt Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, baut Polen gerade neue – etwa im oberschlesischen Opole (Oppeln). Die EU sitzt Warschau im Nacken. Brüssel pocht auf die für 2016 zugesagte Abschaltung der schlimmsten Dreckschleudern. Ein paar der neuen Kohlemeiler sollen mit sogenannter „sauberer Kohle“ befeuert werden. Doch Polens „saubere Kohle“ wird nicht nur von Umweltschützern als Augenwischerei kritisiert.

Verschwindend gering ist in Polen der Anteil erneuerbarer Energiequellen. Windparks sind selten, aber doch noch häufiger als Sonnenkollektoren auf den Dächern. Für Polen ist es nach mehr als 40 Jahren de facto sowjetischer Besatzung wichtig, nicht von Russlands Gas abhängig zu sein. Auch deshalb setzen Regierung und parlamentarische Opposition gemeinsam auf den Bau neuer Atomkraftwerke und die aus Umweltsicht eher problematische Förderung von Schiefergas. Die Grünen (polnisch: Zieloni) haben in Polen knapp 300 Parteimitglieder und sind nicht im Parlament. „Braun- und Steinkohle werden auch in Zukunft die Basis der polnischen Energiewirtschaft sein“, erklärt Regierungschef Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform.

Die Regierung Tusk sei „widerspenstig“ und „faul“, wenn es darum gehe, erneuerbare Energiequellen zu fördern, kritisiert die polnische Umweltschutzorganisation Client Earth. Tatsächlich blockiert Warschau in Brüssel immer wieder die Verabschiedung strengerer EU-Klimaziele. Zugleich lässt sich das Land bei der Umsetzung von EU-Richtlinien so viel Zeit, dass Warschau hohe Strafen drohen. Bis Ende 2013 soll ein Gesetz zur Förderung erneuerbarerer Energien verabschiedet werden, doch wird die Vorlage offenbar von Lobbyisten der großen Energiekonzerne torpediert. Dorthin schiebt die Regierung in Warschau übrigens gerne gescheiterte Minister auf hohe Posten ab.

Paul Flückiger/Dagmar Dehmer

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