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Politik: Knapper Punktsieg für die Reformer

PDS-Europaparteitag: Die frühere Vorsitzende Zimmer gewinnt erst im zweiten Anlauf einen Listenplatz gegen Sahra Wagenknecht

Von Matthias Meisner

Der „berechtigten Wut“ der Bürger will sie eine Stimme geben und die „Lügen der Regierenden“ entlarven. Sahra Wagenknecht legt sich mächtig ins Zeug, als sie auf dem Europaparteitag der PDS im Berliner ICC ihre Kandidatenrede hält. Sie will, dass die Menschen der PDS wieder zutrauen, „mit Rückgrat zu streiten“, will gegen Lobbygezerre und „neoliberale Politik“ in Brüssel vorgehen. Und ganz nebenbei will die Wortführerin der Kommunistischen Plattform der eigenen Parteiführung, den Reformern, einen Strich durch die Rechnung machen – der Parteivorstand nämlich hatte Wagenknecht nicht für einen der ersten sechs Listenplätze vorgesehen, die als sicher gelten, wenn die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen wird.

Das Duell gegen die ehemalige Vorsitzende Gabi Zimmer, die vom Vorstand auf Platz drei nominiert worden ist, verliert Wagenknecht dann doch. Aber nur knapp. Erst im zweiten Anlauf schafft es Zimmer, sich durchzusetzen – nicht mal die Stimmen von zwei Dutzend Delegierten trennen die beiden Kandidaten. Erleichtert gratuliert der Vorsitzende Lothar Bisky seiner Vorgängerin Zimmer. Um dann kurz darauf miterleben zu müssen, dass sich Wagenknecht mit umso klarerem Ergebnis auf Platz fünf durchsetzen kann. Sollte die PDS doch noch vom Stimmungstief der SPD profitieren, wird das bei der Wahl im Juni ebenfalls gut für die Versetzung nach Straßburg reichen.

Es verschiebt sich da etwas in den Kräfteverhältnissen der PDS – und das hat auch mit der Krise der Partei zu tun. Vom Mitte-Links-Bündnis, das die PDS mal im Bund anstrebte, ist nicht mehr die Rede – stattdessen stehen die Zeichen auf Protest. Viele im Saal trauen Wagenknecht weit mehr als den meisten der altgedienten Europaabgeordneten zu, auch Säle im Westen zu füllen. Und das ist der Partei wichtig. Dass dort der Aufbau nicht vorangehe, mache ihm Sorge, hatte Bisky schon am Samstag den Delegierten erklärt.

Nur die beiden vom Vorstand vorgeschlagenen Spitzenkandidaten, die bisherigen Europaabgeordneten Sylvia-Yvonne Kaufmann und Helmuth Markov, werden von den Delegierten ohne Gegenkandidaturen bestätigt. Doch danach schon setzte das Gerangel ein. Mit geballter Kraft mussten die Reformer hinter den Kulissen für Zimmer werben, die letztlich im vergangenen Sommer mit ihrem Rückzug erst die Wahl Biskys möglich gemacht hatte. Für ausdrücklich lernfähig hält der Vorsitzende inzwischen seine Vorgängerin. Kritikern der Liste des Vorstandes warf er vor, mit „arroganter Selbstgerechtigkeit“ und der „Attitüde eigener Unfehlbarkeit“ einzelne Kandidaten abzustempeln.

Doch auch auf Platz vier scheiterte der Parteivorstand mit seinem Vorschlag: Gewählt wurde nicht der pragmatische Hochschulsprecher der Berliner PDS, Benjamin Hoff, sondern der parteilose Tübinger Friedensforscher und ehemalige Grüne Tobias Pflüger – Letzterer mit der ausdrücklichen Empfehlung von Sahra Wagenknecht.

Unter den Reformern der PDS geht jetzt die Sorge um, Sahra Wagenknecht könnte mitten im Wahljahr die Zweifel an der Basis zur Arbeit der rot-roten Landesregierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit wortgewaltiger Kritik befördern. Immer wieder hatte Wagenknecht in Aufsätzen die Landespolitik in Schwerin und vor allem die in Berlin scharf attackiert und den Ausstieg der PDS aus den Regierungskoalitionen gefordert. Auf dem Parteitag in Berlin selbst hielt sich Wagenknecht in dieser Frage eher zurück. Nur vorsichtig formulierte sie, dass die „soziale Glaubwürdigkeit“ der PDS „nicht mehr unbeschädigt“ sei. Zu oft habe die PDS in den Auseinandersetzungen „auf der falschen Seite“ gestanden.

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