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Die Ampel-Spitzen: Annalena Baerbock und Robert Habeck (Grüne), SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, FDP-Chef Christian Lindner.

© Michael Kappeler/dpa

Koalition der Nebenhaushalte: Wie die Ampel ihre Vorhaben finanzieren will

Neue Kredite auf Umwegen, Rücklage aus Corona-Schulden, öffentlich-private Partnerschaften - SPD, Grüne und FDP haben Mittel und Wege gefunden.

Es werden große Ambitionen formuliert. Nicht zuletzt wird ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ ausgerufen. Aber es gibt keine konkrete Festlegung auf Summen im Koalitionsvertrag. Das neue Bündnis hat noch nicht einmal vereinbart, welche Pläne „prioritär“, also in jedem Fall umgesetzt werden. Und welche praktisch nach Kassenlage drankommen. Alles ist möglich. Aber SPD, Grüne und FDP fahren auf Sicht. Denn die haushaltspolitische Lage sei „äußerst anspruchsvoll“, das haben die drei Partnerinnen im Koalitionsvertrag festgehalten.

Steuererhöhungen sind ausgeschlossen. Dafür dürfte es zu Mindereinnahmen gegenüber der Finanzplanung kommen, etwa durch üppige „Superabschreibungen“ für Unternehmen. Diese Vergünstigungen sollen nur für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung gelten. Aber das Fass ist damit offen: Der Ökonom Clemens Fuest vom Ifo-Institut fordert schon, sie auch auf andere Bereiche auszuweiten.

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Spielräume will sich die Koalition unter anderem schaffen, indem zunächst einmal in allen Ecken und Winkeln des Etats nach verfügbarem Holz gesucht wird, um den Ampel-Ofen ordentlich anheizen zu können. Aber in einem Etat, der ohnehin auf Kante genäht ist, dürfte da eher ein Rinnsal entdeckt werden als ein reißender Strom.

Schuldenbremse gilt - leicht verändert

Die Schuldenbremse soll weiter gelten. Ab 2023 will die Koalition sie wieder einhalten. Aber sie wird in sich etwas anders ausgestaltet, etwa über ein anderes Verfahren für die Berechnung der konjunkturell möglichen Neuverschuldung. Auch sollen Mittelabflüsse aus Sondervermögen – also den Nebenhaushalten – nicht mehr als Ausgaben im Rahmen der Schuldenregel gelten. Das macht sie flexibler für eine höhere Nettokreditaufnahme.

Und bis 2023 wird die Pandemie genutzt, um Holz zu bunkern. Ein solcher Nebenhaushalt soll daher zügig deutlich erweitert werden: Der seit Jahren bestehende Energie- und Klimafonds wird einerseits umgetauft in Klima- und Transformationsfonds (KTF), andererseits üppig mit neuen Mitteln ausgestattet. Und zwar schuldenfinanziert. Der KTF wird beim Wirtschaftsressort angesiedelt sein, das die Grünen führen.

Ein Fonds für die Grünen

Der Clou ist, dass die „Groko“ dies quasi schon genehmigt hat. Per Nachtragsetat soll demnächst nämlich eine noch unbekannte Summe aus den Kreditermächtigungen im Etat für 2021 an den KTF überwiesen werden. Diese Ermächtigungen belaufen sich insgesamt auf 240 Milliarden Euro. Gebraucht hat der Bund nach Tagesspiegel-Informationen davon bisher etwa 150 Milliarden. So könnten theoretisch 90 Milliarden an den Fonds gehen.

Es könnte noch mehr werden. Denn auch im Bundeshaushalt für das Jahr 2022 soll der KTF „im Rahmen der verfassungsmäßigen Möglichkeiten“ verstärkt werden. Im Etatentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist bisher noch einmal eine notlagenbedingte, also außerordentliche Neuverschuldung in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen.

Eine riesige Rücklage

Begründet wird dieses Vorgehen mit den Folgen der Pandemie und den Risiken für die Erholung der Wirtschaft. Faktisch wird damit eine Rücklage in dem Fonds geschaffen, die dann über mehrere Jahre hinweg genutzt werden kann, ausdrücklich auch zur „Förderung der klimafreundlichen Mobilität“. Allerdings sollen über den KTF auch die Einnahmeausfälle finanziert werden, die aus der Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis entstehen. Das begrenzt das Investitionspotenzial des Fonds.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Die wichtigsten Projekte der Ampel.]

Diese Lösung bedeutet, dass deutlich mehr Schulden nach 2026 getilgt werden müssen als in der bisherigen Finanzplanung vorgesehen. Kredite, die mit der Notlage begründet werden, müssen tatsächlich zurückgezahlt werden. Sie können nicht, wie üblich bei Staatsschulden, durch neue Kredite abgelöst werden. Um die Finanzplanung nicht zu sprengen, plant die Koalition, den Tilgungszeitraum von 20 auf 30 Jahre zu verlängern. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat das am Donnerstag auch vorgeschlagen - unter anderem mit der Begründung, sich so gegen wieder höhere Zinsen zu wappnen.

Die KfW für die FDP

Die Ampel will noch weitere „Nebenstellen“ nutzen, um mehr Holz für den Investitionsofen zu bekommen. Da ist zum einen die dem Finanzministerium zugeordnete Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), bei der vor allem zwei Instrumente ausgebaut werden sollen. Zum einen der Zukunftsfonds für Start-ups, ein Herzensthema der FDP. Zum anderen „Finanzierungsmodelle öffentlicher Infrastrukturinvestitionen“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Die dürften auch bei der Autobahngesellschaft des Bundes eine Rolle spielen, die beim Verkehrsministerium ressortiert. Diese staatliche Investitionsgesellschaft hat zwar bisher keine eigene Verschuldungsmöglichkeit. Aber genau da, unter Führung der FDP, könnte zum Zuge kommen, was der Koalitionsvertrag erlaubt: mehr Investitionskapital über öffentlich-private Partnerschaften einzusammeln.

Und ein Vehikel für die SPD

Kreditermächtigungen für Investitionsgesellschaften schließt die Koalition nicht aus. Im Fall der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben etwa werden sie ausdrücklich genannt. Sie soll – dem neuen, von der SPD geführten Bauministerium beigegeben – das Wohnungsbauprogramm mit in Schwung bringen. „Von Fall zu Fall“, so die Formulierung, soll das über eigene Kredite geschehen, die dann nicht unbedingt unter die Schuldenbremse fallen müssen. Auch die Deutsche Bahn will die Koalition stärker als Investitionsvehikel nutzen, unter anderem über mehr Eigenkapital, was auch die „Groko“ schon geplant hatte.

Da das Finanzieren über Nebenhaushalte oder Staatsgesellschaften immer wieder als Umgehung der Kontrollmöglichkeiten des Bundestags gewertet wird, sieht der Koalitionsvertrag vor, dass die „parlamentarische, öffentliche und exekutive Kontrolle“ gestärkt wird.

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