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Koalition einig – Details unklar: Der Streit um die Umsetzung beginnt

Trotz der beschlossenen Mehrausgaben wollen die Koalitionäre ab dem Haushaltsjahr 2014 ohne neue Schulden auskommen. Den Vorwurf, einen „Kuhhandel“ angeschlossen zu haben, weisen sie von sich.

Von Lutz Haverkamp

Einen Tag nach dem Gipfel der schwarz-gelben Regierungskoalition wird immer deutlicher, dass zentrale Details der Beschlüsse noch nicht endgültig geklärt sind und von Union und FDP unterschiedlich interpretiert werden. Besonders die Entscheidung, eine sogenannte Lebensleistungsrente einzuführen, sowie der Plan, ab 2014 im Bund nahezu ohne neue Schulden auszukommen, könnte noch zu Streit führen.

Um Altersarmut zu bekämpfen, haben sich CDU, CSU und FDP in der Nacht von Sonntag auf Montag im Kanzleramt darauf verständigt, die Rente von Geringverdienern aufzustocken. Profitieren sollen davon Arbeitnehmer, die auch nach 40 Beitragsjahren und zusätzlicher privater Vorsorge immer noch unter dem Niveau der Grundsicherung von durchschnittlich 688 Euro pro Monat liegen. Offen blieb, wie groß der Kreis der Betroffenen ist. Außerdem gibt es unterschiedliche Interpretationen über die Ausgestaltung. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, die Lebensleistungsrente könnte bis zu 850 Euro betragen. Das entspräche ungefähr dem, was die Ministerin in den vergangenen Wochen mit dem Begriff Zuschussrente immer gefordert hatte. Die FDP – und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – hatten sich wegen der hohen Kosten stets gegen eine solche Lösung ausgesprochen. In der Koalition wurde deshalb bezweifelt, dass die Beschlüsse wie von Leyen angedeutet bereits diesen Monat in den Gesetzgebungsprozess gehen können.

Trotz der beschlossenen Mehrausgaben haben sich die Koalitionäre darauf verständigt, ab dem Haushaltsjahr 2014 ohne neue Schulden auskommen zu wollen. Um das Ziel erreichen zu können, sind Kürzungen zwischen sechs und neun Milliarden Euro nötig. Außerdem beschloss die Koalitionsrunde das Ende der Praxisgebühr zum 1. Januar 2013, Mehrausgaben für die Verkehrsinfrastruktur von 750 Millionen Euro und die Einführung des lange umstrittenen und mehrfach verabredeten Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine staatliche Betreuungseinrichtung bringen, zum 1. August 2013.

Während Koalitionspolitiker die Beschlüsse als Beweis für die Handlungsfähigkeit der Regierung lobten, kam von Opposition, Wirtschaft und Sozialverbänden teils harsche Kritik. Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, wies den Vorwurf zurück, die Koalition habe einen „Kuhhandel“ abgeschlossen. Vielmehr werde die solide Finanzpolitik fortgesetzt und der soziale Zusammenhalt gestärkt.

Die SPD kritisierte die Beschlüsse als Wahlgeschenke. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, bei einem Regierungswechsel werde die SPD das Betreuungsgeld sofort wieder abschaffen. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem „Gipfel der Unvernunft“. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, kritisierte, die Koalition betreibe „Rentenpolitik auf Sparflamme“. Grünen-Chefin Claudia Roth fragte: „Für wie blöd hält diese Regierung eigentlich die Menschen in diesem Land?“ Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte die Ergebnisse enttäuschend. (mit dpa/rtr/dapd)

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