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Koalition einigt sich: Schwarz-Gelb strahlt

Die Atomkraftwerke in Deutschland könnten bis Mitte des Jahrhunderts laufen. Das Energiekonzept der Regierung sieht mehr Geld für Gebäudesanierung vor. Die Koalition lobt den Kompromiss als fair.

Berlin - Die Bundesregierung will mit längeren Akw-Laufzeiten sowie einem verschärften Energiesparkurs den Anstieg der Strompreise bremsen und den Klimaschutz fördern. Die schwarz- gelbe Koalition einigte sich in der Nacht zum Montag, den 17 deutschen Reaktoren im Schnitt zwölf Jahre zusätzlicher Laufzeit zu gewähren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Beschlüsse zum Energiekonzept bis 2050 am Montag als „Revolution“. Die deutsche Energieversorgung werde damit „die umweltfreundlichste und effizienteste weltweit“. Die Opposition kündigte erbitterten Widerstand an und will wegen der geplanten Umgehung des Bundesrates das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die Aktien der Akw-Betreiber Eon, RWE und EnBW legten bis zu fünf Prozent zu.

Nach dem Beschluss der Minister und der Spitzen von CDU, CSU und FDP sollen die sieben ältesten Atomkraftwerke acht zusätzliche Jahre Produktionszeit bekommen. Die zehn Reaktoren, die nach 1980 ans Netz gingen, sollen 14 Jahre länger als bislang vereinbart laufen. Für diese Anlagen ergibt sich damit eine Regellaufzeit von 46 Jahren. Das jüngste Kraftwerk, Neckarwestheim 2, könnte so rechnerisch mindestens bis zum Jahr 2035 laufen.

Merkel machte keine Angaben dazu, wann das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht. Dies könne derzeit niemand sagen, meinte sie. Die zusätzlichen Produktionsjahre sollen in Strommengen umgerechnet werden, die von alten Akw auf neuere übertragen werden können. Wegen der Investitionen für mehr Sicherheit könnte es für die Stromkonzerne profitabler sein, ältere Kraftwerke kürzer und neuere noch länger laufen zu lassen. Dies könnte dazu führen, dass noch bis Mitte des Jahrhunderts in Deutschland Atomstrom produziert wird.

Die Energiekonzerne sollen sechs Jahre lang von 2011 bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro Brennelementesteuer an den Bund zahlen, können diese Ausgabe aber als Betriebsausgabe geltend machen. Die tatsächlichen Einnahmen des Bundes dürften dann bei rund 1,4 Milliarden Euro jährlich liegen. Darüber hinaus sollen sie bis 2016 geringere Beträge in einen Ökoenergienfonds einzahlen. Nach dem Energiekonzept soll Kernenergiestrom ab 2017 mit neun Euro pro einer Milliarde Kilowattstunden besteuert werden. Mit einem Teil der Extragewinne der Betreiber soll der Ausbau erneuerbarer Energien, wie Windparks auf hoher See, beschleunigt werden. Daneben will der Bund Anreize zum Energiesparen bei der Sanierung von Häusern setzen. Zugleich reduzierte die Regierung ihre Erwartung an das Ausbautempo erneuerbarer Energien. Bis 2020 sollen diese nur noch einen Anteil von 18 Prozent am Gesamtenergieverbrauch erreichen, im kürzlich verabschiedeten Nationalen Aktionsprogramm war die Regierung noch von einem Anteil von 19,6 Prozent ausgegangen.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), die monatelang über die Laufzeitverlängerung gestritten hatten, lobten das Ergebnis als fairen Kompromiss. Röttgen betonte, es würden höhere Sicherheitsstandards für die Meiler festgelegt. Der Umweltminister konnte sich nicht mit seiner Forderung durchsetzen, ältere Kraftwerke so nachzurüsten, dass sie dem Absturz kleinerer Verkehrsflugzeuge standhalten würden.

Der Bundesrat muss der Laufzeitverlängerung nach Ansicht der Bundesregierung nicht zustimmen. „Wir glauben, dass dieses Gesetz zustimmungsfrei umgesetzt werden kann“, sagte Merkel. Röttgen erklärte, die zusätzlichen Laufzeiten würden nicht mehr als ein Drittel der 2002 unter der rot-grünen Bundesregierung festgelegten Geamtlaufzeiten für Atomkraftwerke ausmachen. Diese „moderate“ Verlängerung bedürfe nicht der Zustimmung der Länderkammer. Die Mehrheit der Länder hat allerdings schon Klagen angekündigt.

SPD, Grüne und Linkspartei reagierten mit scharfer Kritik. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von einer „Kapitulation vor der Atomlobby“. Das Regierungsbündnis habe seine Entscheidung auf der Grundlage „käuflicher Gutachten“ getroffen, die von den Energiekonzernen finanziert worden seien. Nahles sagte voraus, dass die Verlängerung der Laufzeiten zu höheren Strompreisen führen werde, da die Machtstellung der vier großen Energieversorger zementiert werde. SPD und Grüne kündigten an, die Entscheidung rückgängig zu machen, wenn sie an die Macht kämen.

Unterdessen unterstützt Merkel Litauen beim Bau eines neuen Atomkraftwerks. Sie habe volles Verständnis für den Wunsch Litauens, bei der Energieversorgung aus einer einseitigen Abhängigkeit herauszukommen, sagte sie nach einem Treffen mit Litauens Staatspräsidentin Dalia Grbauskaite in Vilnius. „Wir werden alles tun, damit dieser hier politisch gewollte Bau auch politisch von uns unterstützt wird“, meinte sie.

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