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Politik: Koalition gibt Verheugen Rückendeckung

EU-Kommissar wegen Beförderung in der Kritik. Auch die Union unterstützt den SPD-Politiker

Berlin - Günter Verheugen wehrt sich. Als „glatte Verleumdung“ bezeichnete der deutsche Vizepräsident der EU-Kommission die Behauptung, er habe eine enge private Beziehung zu seiner im April ernannten Kabinettschefin Petra Erler. „Es bestand keine über eine persönliche Freundschaft hinausgehende Beziehung, als diese Ernennung erfolgte. So ist die Situation auch heute“, sagte Verheugen der „Welt“ vom Donnerstag weiter. Am vergangenen Montag hatten die „Bild“-Zeitung und das Magazin „Focus“ ein Urlaubsfoto von Verheugen und Petra Erler aus dem vergangenen Sommer in Litauen abgedruckt, das die beiden Hand in Hand zeigt. „Stürzt SPD-Politiker über diese Frau?“, titelte die „Bild“-Zeitung. Es sei „ungeheuerlich, dass manche nicht mehr vor der Verletzung der Privatsphäre haltmachen“, kommentiert Verheugen die Veröffentlichungen. Die Vehemenz, mit der er sich wehrt, hat ihren Grund – schließlich stolperte 1999 die Kommission von Jacques Santer unter anderem darüber, dass die Kommissarin Edith Cresson zuvor einen befreundeten Zahnarzt in ihrem persönlichen Stab – dem Kabinett – eingestellt hatte. Und auch Verheugen muss sich nun mit dem Vorwurf der angeblichen Günstlingswirtschaft herumschlagen, weil er seine Vertraute zur Kabinettschefin gemacht hatte.

Doch damit nicht genug: Während sich Verheugen gegen die Berichterstattung über sein Privatleben wehrt, hat er sich mit seinem Kampf gegen die Bürokratie – ein Thema, das Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sehr wichtig ist – in Brüssel nicht nur Freunde gemacht. In Berlin wird deshalb ein enger Zusammenhang zwischen den Veröffentlichungen und der Attacke auf die Beamtenmacht gesehen. Allerdings gilt Verheugens Vorgehen bei der Beförderung von Erler anders als das von Edith Cresson als rechtlich einwandfrei.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lobte schon am Mittwoch die Arbeit des bedrohten Parteifreundes. Zwar schütteln viele in der Hauptstadt den Kopf über das Krisenmanagement Verheugens, der gemeinsam mit Erler ein Rechtfertigungs-Interview gab. Doch nicht nur Sozialdemokraten verteidigen ihn. „Die Koalition steht zu Günter Verheugen“, heißt es in Regierungskreisen.

Auch unter den wichtigeren Politikern der CDU/CSU ist die Einschätzung verbreitet, dass Verheugen bis 2009 als deutscher Industriekommissar in Brüssel gebraucht werde. Zwar werde seine Kritik an der Bürokratie und der Übermacht hoher Brüsseler Beamter im Grundsatz geteilt, heißt es aus der Union. Allerdings hätten die offen ausgetragene Diskussion um den Einfluss hoher Beamter und die Debatte um seine Stabschefin Erler der Position Verheugens in Brüssel insgesamt geschadet. Für Missmut hat bei der CDU/CSU zudem gesorgt, dass sich der Industriekommissar Verheugen in den vergangenen Monaten pointiert zu Fragen der EU-Erweiterung geäußert hat – ein Ressort, für das in der Brüsseler Kommission der Finne Olli Rehn zuständig ist. So wird darauf verwiesen, dass sich Verheugen vor der Vorlage des entscheidenden EU-Berichts zu Bulgarien und Rumänien im vergangenen Monat sehr viel weniger zurückhaltend zu einer künftigen EU-Mitgliedschaft der beiden Länder geäußert habe als Rehn.

Mit Verwunderung wurde in der CDU/CSU auch registriert, dass Verheugen zu Beginn dieses Monats die Türkei- Politik Europas rügte – just zu dem Zeitpunkt, als Kanzlerin Merkel ihre Türkei- Reise beendet hatte. Verheugen monierte, dass Europa fast nur noch negative Signale Richtung Türkei sende. Merkel hatte während ihrer Türkei-Reise zuvor ihre Skepsis gegenüber einer EU- Vollmitgliedschaft Ankaras zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig aber auch betont, dass sie die Beitrittsverhandlungen nicht behindern wolle.

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