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Politik: Koalition legt Zeitplan für Pflegereform fest

Eltern sollen noch in diesem Jahr entlastet werden – aber Regierung schließt höhere Beiträge letztlich nicht aus

Berlin (Tsp). Nach den Spannungen in der rotgrünen Koalition wegen des von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Aussicht gestellten Stopps von Teilen der Pflegereform haben sich am Freitag die Koalitionsspitzen zu einer Strategieberatung getroffen. Dabei einigten sie sich darauf, die Reform der Pflegeversicherung in zwei Teilen durchzuführen. In einer ersten Stufe soll noch in diesem Jahr die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden, wonach Kinder Erziehende bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung entlastet werden müssten, sagte Regierungssprecher Bela Anda nach dem Treffen. Weitere Reformschritte sollen im Anschluss daran folgen – wahrscheinlich wird das im kommenden Jahr der Fall sein. Dazu zählen die Regelungen für Demenzkranke, zur ambulanten und stationären Pflege und zur Dynamisierung von Leistungen. Gerhard Schröder hatte sich am Dienstag dagegen ausgesprochen, Kinderlose mit einem Zusatzbeitrag an der Finanzierung der Pflegekassen höher zu beteiligen.

Offen blieb allerdings, wie die Bundesregierung die Verluste in der Pflegeversicherung abdecken will. Auch zur Entlastung der Kinder Erziehenden, wie sie nach dem Karlsruher Urteil bis Ende diesen Jahres geregelt werden muss, traf die Runde nach Angaben von Anda noch keine Entscheidung. Er bekräftigte lediglich, es gehe darum, dass diejenigen, die aktiv erziehen, entlastet werden müssten. Konkretere Vereinbarungen sollten am 13. Februar in einer turnusgemäßen Koalitionsrunde getroffen werden.

Im Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Pflegeversicherung schließt die Bundesregierung Beitragserhöhungen allerdings nicht aus. Der geplante Zeitzuschlag für Demenzkranke und die Dynamisierung der Pflegeleistungen ließe sich nur finanzieren, wenn es „tendenziell höhere Beiträge“ gebe, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundessozialministerium, Marion Caspers-Merk (SPD), am Freitag auf einem Pflegekongress in Berlin. Eine Umorganisation der Pflegeversicherung sei notwendig, um das System „zukunftsfest“ zu machen. Allerdings bestehe „kein unmittelbar notwendiger Handlungsbedarf in diesem Jahr“, so Caspers-Merk.

In einer aktuellen Stunde des Bundestages warf der Sozialexperte der Union, Horst Seehofer, der Bundesregierung vor, sie habe die Pflegeversicherung in eine ernste Krise geführt. „Diese Bundesregierung ist mittlerweile der Inbegriff der Unfähigkeit“, sagte der CSU-Politiker. Die dringende Reform der Pflegeversicherung sei vom Kanzler ausschließlich wegen der in diesem Jahr anstehenden 14 Wahlen verschoben worden. Unions-Fraktionsvize Maria Böhmer forderte, Familien durch einen Zuschuss aus Steuermitteln zu entlasten. Sie schlug dafür einen Betrag von zehn Euro pro Kind und Monat vor. Neue Schulden, um die verfassungsrechtlich gebotene Entlastung von Eltern umzusetzen, lehnte die CDU-Politikerin ab. Die von Böhmer geforderte Steuerfinanzierung der Familienentlastung lehnen jedoch die Grünen ab.

Indes wies Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Kritik der Opposition zurück. Sie sei unredlich, so Schmidt. Die Finanzprobleme der Pflegeversicherung seien daraus entstanden, dass bei der von der Vorgängerregierung verantworteten Versicherung keine Vorsorge dafür getroffen worden sei, dass der Pflegebedarf in der Gesellschaft zunehme, die Finanzierung aber nicht. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist dem Eindruck entgegengetreten, die Bundesregierung wolle die Reform der Pflegeversicherung aus wahltaktischen Gründen verschieben. In einem Interview der ARD am Freitagabend sagte er: „Die Pflegeversicherung muss kommen, sie ist ganz notwendig.“ Auch der Arbeiter-Samariter-Bund mahnte, „Fehlentwicklungen und Mängel der gegenwärtigen Situation in der Pflege“ nicht auf auf die lange Bank zu schieben.

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