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Koalition: Merkel denkt positiv

Im Streit über die Gesundheitsreform versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Wogen zu glätten. Sie sei "sehr optimistisch", dass die große Koalition erfolgreich weiterarbeite, sagte sie in einem Interview.

Berlin - Zahlreiche Politiker von Union und SPD erhoben auch am Freitag gegenseitige Vorwürfe. SPD-Chef Kurt Beck verteidigte zwar den Gesundheitskompromiss, rief aber die Union auf, sie solle "Kehrtwendungen nicht alle paar Tage machen". Die Grünen plädierten für Neuwahlen. "Schwarz-Rot gehört so schnell wie möglich abgewählt", verlangte FDP-Vize Rainer Brüderle.

Merkel sagte der "Bild"-Zeitung vom Freitag zur Gesundheitsreform, Kompromisse seien Teil der Politik. Sie habe zur Finanzierung der Reform vor der Frage gestanden, Steuern zu erhöhen oder die Kassenbeiträge heraufzusetzen. "Eine weitere Steuererhöhung nach der Mehrwertsteuererhöhung kann ich nicht verantworten", begründete Merkel die beschlossene Erhöhung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung um 0,5 Prozentpunkte. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, Merkel sehe trotz der Kritik aus der SPD keinen Anlass, ihren Führungsstil in der großen Koalition zu ändern. Die Arbeit der Koalition sei "außerordentlich konstruktiv" und "produktiv". Merkel war vorgeworfen worden, entgegen der Absprachen und auf Druck der Unionsministerpräsidenten eine stärkere Steuerfinanzierung verhindert zu haben.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte den Koalitionskompromiss gegen die Kritik auch aus den eigenen Reihen. "Es war nicht mehr drin", sagte sie im ZDF. "Wir hätten uns bei der Gesundheitsreform einen größeren Wurf gewünscht", räumte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil im Bayerischen Rundfunk ein. Beck äußerte sich erstaunt, dass Merkel plötzlich nicht mehr zu zusätzlicher Steuerfinanzierung bereit gewesen sei. Der SPD-Chef sprach im "Handelsblatt" von einer "180-Grad-Wende" Merkels.

Kritik und Kritik an der Kritik

Deutliche Kritik an der Rolle der Ministerpräsidenten der Union äußerte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in der "Welt". Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti verlangte in der "Frankfurter Rundschau", das Paket noch einmal aufzuschnüren und etwas Neues zu vereinbaren, "damit der Unmut in Grenzen bleibt". Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs erneuerte seine Kritik an Merkel und wiederholte auch den umstrittenen Satz: "Der Fisch stinkt vom Kopf her."

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte die SPD-Kritik an Merkel im Sender N24 "nicht akzeptabel". Sein niedersächsischer Kollege Christian Wulff (CDU) verlangte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die SPD solle zu einem "fairen, partnerschaftlichen Umgang" in der großen Koalition zurückkehren. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wandte sich im ZDF gegen vorgezogene Neuwahlen. Dann stünden Union und SPD "nach dem Wahltag genauso da wie heute".

Enttäuschung über Arbeit der großen Koalition

"Die Eckpunkte zur Gesundheitsreform geben keine Antwort auf die zentrale Frage, wie die Politik die absehbare Finanzierungslücke der GKV in den Griff bekommen möchte", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Spitzenverbände der Krankenkassen. Sie wandten sich besonders gegen den geplanten Gesundheitsfonds. Enttäuscht über die bisherige Arbeit der großen Koalition äußerten sich Spitzenverbände der Wirtschaft. "Hier kann und muss eine 70-Prozent-Mehrheit im Bundestag einfach mehr und Besseres auf die Beine stellen", verlangte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun in der "Berliner Zeitung". Der DGB kritisierte, statt Probleme zu lösen, drohe die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung beeinträchtigt zu werden.

"Diese Koalition ist nur in einem groß: Beim Streit und beim Abkassieren der Bürger", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der Münchner "Abendzeitung". Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck sprach in der "Netzeitung" ebenfalls von "Steuer- und Beitragserhöhungen ohne Ende". Links-Fraktionschef Gregor Gysi nannte die Gesundheitsreform in n-tv "dilettantisch und unsozial".

(tso/AFP)

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