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© dpa

Koalition mit der Union?: Linseneintopf macht FDP nicht satt

Vor dem Parteitag am Sonntag meint FDP-Generalsekretär in NRW, Christian Lindner: „Nach diesem Parteitag muss die Union wissen, dass es eine Koalition mit der FDP nicht für ein Linsengericht gibt.“ Vier Ministerposten sollten es schon sein.

In der Machtzentrale der FDP sind sie in den letzten Monaten überrascht darüber gewesen, wer sich aus den eigenen Reihen so alles ein Amt zutraut in einer möglichen schwarz-gelben Regierung. Vor allem der Posten des Regierungssprechers ist anscheinend sehr begehrt, misst man es an der Zahl der Bewerber. Das Selbstbewusstsein ist dank der Umfragen groß – fast zum Fürchten groß, wie es Parteikreise formulieren.

Allerdings hat es die Partei bisher verstanden, Personaldebatten nicht öffentlich zu führen. Das war in der Vergangenheit anders und hat es anderen Parteien leicht gemacht, über die Machtgier der FDP zu spotten. Seit der Bundestagswahl 2005 hält das innerparteiliche Schweigegebot, was als Hinweis auf Geschlossenheit verstanden werden kann. Sollte es am 27. September reichen für eine Koalition aus Union und FDP, wird es nicht einmal einen Aufstand der Jungen geben, obwohl einige im Kämmerlein kräftig mit den Füßen scharren und finden: Wir sind dran!

In der Tat hat die Partei eine Art Luxusproblem. Sie hat es zwar verstanden, seit der verlorenen Macht 1998 kontinuierlich junge Kräfte in den Ländern und in der Bundestagsfraktion aufzubauen, auch ein Verdienst des Parteichefs Guido Westerwelle, aber die kennt kaum jemand. Andererseits passt es nicht zu einer Reformregierung, die Westerwelle mit der Union anstrebt, neben seiner Person nur traditionelles, also altes Personal als Minister anzubieten: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (58) als potenzielle Justizministerin und Gesicht für die Bürgerrechte, die Altliberalen Rainer Brüderle (64) oder Hermann Otto Solms (68) für Finanzen. Das sind nicht Gesichter einer jungen Partei. In der Führungsspitze ist es deshalb Konsens, dass man bei einem guten Ergebnis einen vierten Ministerposten fordern wird, der dann, wie es einer sagt, „zwingend mit einem jungen Gesicht besetzt werden muss“.

Vom Potenzial her kommen dafür einige Liberale aus der Bundestagsfraktion infrage. Gesundheitsexperte Daniel Bahr, Haushaltsexperte Otto Fricke oder auch Föderalismussprecher Volker Wissing. Wer immer und für viele Posten gehandelt wird ist die Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin. Sollte Guido Westerwelle Außenminister werden, könnte die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger ihn als Fraktionschef beerben. Homburger gilt zwar als zwischenmenschlich unsensibel, aber auch als enorm fleißig. Außerdem würde sie Westerwelle in der Außendarstellung keine Konkurrenz machen, worauf mindestens Westerwelle großen Wert legt.

Die Parteistrategen wissen, dass sie ohne Regierungsverantwortung ihre jungen Nachwuchsleute nicht wirklich wachsen lassen können. Für den unwahrscheinlichen, aber in der Partei diskutierten Fall, dass Guido Westerwelle nach einer Niederlage am 27. September aus persönlichen Motiven hinwerfen könnte, kommen aus Sicht vieler Parteifunktionäre nur zwei Leute in Frage, die die FDP führen könnten: NRW-Landeschef Andreas Pinkwart und der junge Philipp Rösler, der sich als Wirtschaftsminister in Niedersachsen in der Lehre für höhere Aufgaben befindet und jetzt nicht nach Berlin wechseln wird. Je länger Westerwelle Parteichef bleibt, desto größer werden Röslers Chancen, ihm nachzufolgen.

Vorerst dreht sich in der Partei allerdings alles um den Parteitag am kommenden Sonntag. Er soll ein Symbol für das eigene Selbstbewusstsein werden. Vor allem die Jüngeren wollen erreichen, dass deutliche Forderungen für ein Zusammengehen an die Union formuliert werden. Deshalb wird es einen dezidierten Aufruf für einen Politikwechsel mit der Union geben, aber wohl keinen Ausschluss anderer Koalitionsoptionen.

In den sogenannten Koalitionsprüfsteinen in Richtung Union, die die Partei verabschieden will, wird es beim Thema Steuern vor allem um Forderungen nach Entlastung von Familien, Mittelstand und Unternehmen gehen. Daneben fordern die Liberalen von der Union einen „grundsätzlich neuen Geist in der Innenpolitik“. Konkret lehnt die FDP Internetsperren ab, will keine Ausweitung der Onlinedurchsuchung und die Vorratsdatenspeicherung aussetzen.

Der FDP-Generalsekretär in NRW, Christian Lindner, fordert im Tagesspiegel: „Nach diesem Parteitag muss die Union wissen, dass es eine Koalition mit der FDP nicht für ein Linsengericht gibt. Wenn die Inhalte nicht stimmen, müssen wir die Möglichkeit haben, nein zu sagen.“ Gleichzeitig warnte er seine Partei vor Übermut. „Nicht alle unsere Ziele sind sofort nach der Wahl realisierbar. Umso mehr brauchen wir ein prägnantes Entfesselungsprogramm für die ersten hundert Tage, damit sofort positive Signale von der neuen Koalition kommen und die Richtung klar wird.“ Der Chef der Jungliberalen (Julis), Johannes Vogel, sagte dieser Zeitung zu einer Koalition mit der Union: „Eine Regierungsbeteiligung ist kein Selbstzweck, und es wird sie auch mit der Union nicht um jeden Preis geben. Die FDP wird nur in die Regierung gehen, wenn sich unser Programm im Koalitionsvertrag wiederfindet – insbesondere auch im Bereich der Bürgerrechte.“

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