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Koalition: Steinmeier bringt Union gegen sich auf

Außenminister Steinmeier warnt vor einer Dramatisierung der Terrorgefahr – eine Kritik an Innenminister Schäuble.

Von Hans Monath

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat vor einer Dramatisierung der Sicherheitslage in Deutschland gewarnt und damit den koalitionsinternen Streit um schärfere Sicherheitsgesetze neu angefacht. Ungewöhnlich deutlich kritisierte der SPD-Politiker sowohl seinen Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU). Im Kampf gegen Terrorismus müsse es „natürlich“ Denkverbote geben, sagte Steinmeier dem Magazin „Stern“. In der Debatte über schärfere Sicherheitsgesetze hatte Merkel den Innenminister mit der Bemerkung in Schutz genommen, es dürfe keine Denkverbote geben. Schäuble hatte zuvor die gezielte Tötung von Verdächtigen thematisiert.

Bundespräsident Horst Köhler hatte den Innenminister dafür öffentlich gemahnt. Steinmeier erklärte nun, er wünsche sich, auch die Kanzlerin wäre auf Distanz zu Schäuble gegangen. Er hätte sich vorstellen können, dass sich Merkel entlang der Linie äußere, die Köhler vorgezeichnet habe, sagte er.

Ausdrücklich warnte der Politiker vor einer Dramatisierung der Sicherheitslage: „Deutschland ist nicht explizit zum neuen Ziel erklärt worden.“ Bei insgesamt erhöhter Gefährdungslage gebe es „keine konkreten Hinweise“ darauf, dass unmittelbar Anschläge bevorstünden. Innenminister Schäuble und sein Staatssekretär August Hanning warnen seit Wochen, es gebe „eine neue Qualität der Bedrohung“, Deutschland sei „ins Fadenkreuz des internationalen Terrorismus gerückt“. Steinmeier wandte sich in dem Interview gegen Vorschläge Schäubles wie die zur Online-Durchsuchung.

Die Union kritisierte den Ausflug des Außenministers in die Innenpolitik. „Offensichtlich relativiert der Außenminister die Bedrohungslage, um der SPD in der Debatte über schärfere Sicherheitsgesetze einen Gefallen zu tun", sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) dem Tagesspiegel.

Der CDU-Politiker warf Steinmeier vor, er unterstelle den Sicherheitspolitikern der Union Panikmache. „Herr Steinmeier versucht eine Behauptung zu widerlegen, die niemand aufgestellt hat", sagte er. Niemand habe behauptet, dass die Sicherheitsbehörden Kenntnisse darüber hätten, wann und wo in Deutschland ein Anschlag bevorstehe.

Den Sicherheitspolitikern der Union gehe es „nicht um Panikmache, sondern um die realistische Einschätzung der Bedrohungslage", sagte Bosbach. Es sei „purer Zufall", dass die beiden Kofferbomben im vergangenen Jahr nicht explodiert seien. Zudem seien beim Generalbundesanwalt 200 Verfahren mit terroristischem Hintergrund anhängig: „Diese Zahl ist besorgniserregend genug."

Auch die Äußerung Steinmeiers, Deutschland sei von Terroristen „nicht explizit zum neuen Ziel erklärt“ worden, stieß auf Kritik. Auf einem vom US-Sender „ABC" im Juni ausgestrahlten Video hätten die Taliban Deutschland explizit mit Terroranschlägen gedroht, sagte er innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Er fügte hinzu: „Möglicherweise hat Herr Steinmeier das nicht präsent."

Die Liberalen verteidigten die Äußerungen. „Die Einschätzung des Außenministers ist nach meinem Kenntnisstand zutreffend", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Max Stadler.

Den Hinweis auf die Mahnung Horst Köhlers an den Innenminister nutzte Steinmeier für ein Lob an den Bundespräsidenten: Er sei ein Kandidat, dessen Wiederwahl auch für die SPD in Frage komme. In Frage kommt für den Außenminister offenbar auch eine Fortsetzung der großen Koalition nach 2009. Nach den Umfragen sei diese Konstellation „arithmetisch wahrscheinlicher als jede andere Konstellation“, meinte Steinmeier. Beide Partner seien deshalb „gut beraten, wenn wir die Türen nicht zuschlagen“.

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