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Politik: Koalition streitet über Raketenabwehr

SPD kritisiert Pläne der USA – die Union hört das nicht gern

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die US-Pläne zur Raketenabwehr in Polen und Tschechien entwickeln sich zum Konfliktthema in der großen Koalition. Deutlich wurde das am Freitag durch einen eher seltenen Vorgang: offenen Widerspruch zwischen dem Regierungssprecher und dem Sprecher des Auswärtigen Amts in der Bundespressekonferenz. Anlass waren kritische Äußerungen des Außenstaatsministers Gernot Erler (SPD), der am Vortag gewarnt hatte, die Raketenabwehr drohe eine neue Rüstungsspirale auszulösen. Vizeregierungssprecher Thomas Steg stufte das als „sehr persönliche Meinung“ ein – eine Formel, die in Normaldeutsch übersetzt üblicherweise so viel heißt wie „unbeachtliches Gerede“. Außenamtssprecher Jens Plötner aber verteidigte Erler: der habe „ernst zu nehmende Fragen“ aufgeworfen.

Hinter dem Geplänkel steckt eine Differenz zwischen den Koalitionsparteien zumindest in der Frage, wie man mit den US-Plänen umgeht. Die USA wollen in Polen und Tschechien ein Abfangsystem für Langstreckenraketen stationieren. Die US-Regierung versichert, dass sich die Raketenabwehr gegen zukünftige Bedrohungen speziell aus dem Iran richte. Russland hingegen hat scharf protestiert und droht mit Gegenaufrüstung.

Erlers Warnung vor einem neuen Wettrüsten entspricht der skeptischen Haltung, die das SPD-Präsidium am Montag eingenommen hat. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte vorher schon den USA vorgehalten, Russland nicht genug einzubeziehen.

CDU und CSU haben bisher keine Beschlüsse für oder gegen die Pläne gefasst. Kanzlerin Angela Merkel, die das Thema auch bei ihrem laufenden Polenbesuch ansprechen wollte, plädiert dafür, den US-Raketenschild im Nato-Rahmen zu behandeln. Sprecher Steg wies auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hin. Darin wird einerseits erklärt, die US-Pläne verstießen nicht gegen die Abrüstungsverpflichtungen im Rahmen des Atomsperrvertrags. Allerdings könne ein System zur Raketenabwehr in Europa „sowohl Vorteile als auch Risiken für die europäische Sicherheit in sich bergen“. Die Regierung bemühe sich, durch ein „Höchstmaß an Transparenz“ auch gegenüber Russland die Risiken zu minimieren. Eine abschließende Haltung zu dem System habe die Regierung bislang nicht.

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