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Politik: Koalition unterliegt bei Abstimmung über großen Lauschangriff

Wechselnde Mehrheit: Abgeordnete von FDP und CDU votieren mit der Opposition für Ausnahmen beim Abhören BONN (sks).Erstmals seit 1983 hat die Regierung Kohl am Donnerstag im Bundestag eine schwere Abstimmungsniederlage einstecken müssen: Zusammen mit neun Abgeordneten der FDP und einem der CDU setzte eine Mehrheit aus SPD, Bündnisgrünen und PDS einen Kompromiß zum großen Lauschangriff durch, der die Gesetze entschärft.

Wechselnde Mehrheit: Abgeordnete von FDP und CDU votieren mit der Opposition für Ausnahmen beim Abhören BONN (sks).Erstmals seit 1983 hat die Regierung Kohl am Donnerstag im Bundestag eine schwere Abstimmungsniederlage einstecken müssen: Zusammen mit neun Abgeordneten der FDP und einem der CDU setzte eine Mehrheit aus SPD, Bündnisgrünen und PDS einen Kompromiß zum großen Lauschangriff durch, der die Gesetze entschärft.Mit 329 gegen 322 Stimmen nahm das Parlament gegen den Willen der Union und eines Großteils der FDP einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom vergangenen Montag an, wonach neben Abgeordneten, Geistlichen und Strafverteidigern künftig auch Ärzte, Anwälte und Journalisten, insgesamt 20 Berufsgruppen, von Lauschangriffen ausgenommen werden.Es gilt als sicher, daß dieser Kompromiß am heutigen Freitag auch vom Bundesrat angenommen wird und damit Gesetz wird.Für die erweiterte Fassung und gegen die Entwürfe der Regierungskoalition stimmte auch eine Reihe von FDP-Abgeordneten, darunter Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff, Burkhard Hirsch, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Irmgard Schwaetzer.Die Niederlage wurde von der Union anschließend als das Ergebnis "einer unheiligen Allianz aus SPD, Grünen und der PDS zum Schaden der inneren Sicherheit" verurteilt.Das abweichende Votum einiger FDP-Abgeordneter, sagte der Berliner CDU-Abgeordnete Rupert Scholz, entspringe der Gewissensentscheidung einzelner Liberaler, deren Bedenken lange bekannt gewesen seien.Die Unions-Fraktion wurde für den Abend zu einer Sondersitzung einberufen, um, wie es in Fraktionskreisen hieß, den Abgeordneten Gelegenheit zu geben, "Dampf abzulassen".Ein Auseinanderbrechen der Koalition sechs Monate vor der Bundestagswahl sei ausgeschlossen.SPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck widersprach nach der Abstimmung der Auffassung des CDU-Abgeordneten Heribert Blens, die Neuregelung weiche nicht nur den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität auf, sondern sie sei auch verfassungsrechtlich bedenklich.Struck betonte, das Gesetz sei weiterhin zur Kriminalitätsbekämpfung geeignet, es schütze aber nun auch jene Berufsgruppen, die schon jetzt Zeugnisverweigerungsrecht hätten.Der FDP-Abgeordnete Hirsch betonte in seinem ablehnenden Votum zur Koalitionsvorlage, Grundrechte könnten nicht dadurch geschützt werden, "daß man sie abbaut".Der CSU-Vorsitzende und Finanzminister Theo Waigel sagte, die SPD sei "mit den Kommunisten eine taktische Koalition" eingegangen.Die Sozialdemokraten hätten sich in erstaunlicher Weise von dem verabschiedet, was sie ursprünglich mit der Regierung verabredet hätten.Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos nannte das Ergebnis "nicht sehr erfreulich" für die Koalition.Sie deswegen aber in Frage zu stellen, wäre falsch.Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwartet ebenfalls kein Koalitionsproblem.

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