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Politik: „Koalitionen der Willigen wird es öfter geben“

US-Außenminister Colin Powell über den Irak und die Zukunft der internationalen Beziehungen

Vor den Treffen mit Kanzler Schröder und Außenminister Fischer empfing USAußenminister Colin Powell Journalisten sechs deutscher Zeitungen, darunter Christoph von Marschall vom Tagesspiegel, zu einem 45-minütigen Gespräch. Wir geben es in gekürzter Form wieder.

Wie würden Sie die deutsch-amerikanischen Beziehungen beschreiben?

Wir müssen aufrichtig sein nach einer sehr schwierigen Zeit mit ernsten Meinungsverschiedenheiten und enttäuschenden Erfahrungen. Wir hatten gehofft, Deutschland versteht unsere Haltung. Deutschland ist ein guter Freund und Verbündeter. Wir arbeiten auf vielen Gebieten gut zusammen, in der Nato, auf dem Balkan, in Afghanistan. Dort tut Deutschland, was wir von einem Alliierten erwarten. Wichtig ist, dass wir neu anfangen und eine neue Irak-Resolution der UN verabschieden, um wiederaufzubauen, was zerstört wurde – nicht durch drei Wochen Krieg, sondern durch 30 Jahre Tyrannei.

Worüber war Amerika enttäuscht?

Nicht darüber, dass die Deutschen anderer Meinung waren, sondern über die Art, wie sie Position bezogen und so viel taten, um gegen uns zu arbeiten. Nachdem die Resolution 1441, die als Legitimation völlig ausreichte, mit 15 zu null Stimmen verabschiedet worden war, überraschte es uns, wie viel Energie Deutschland darauf verwendete, eine zweite Resolution zu verhindern.

Amerika, konnte man lesen, wolle jetzt Russland verzeihen, Frankreich bestrafen und Deutschland ignorieren.

Ich bin hier, das ist der beste Gegenbeweis.

Wird sich Präsident Bush beim G-8-Gipfel in Evian mit dem Kanzler treffen?

Sie werden sich sehen, zusammen in den Beratungen sitzen und haben dort die Chance, miteinander zu reden. Ich glaube nicht, dass Zeit für ein bilaterales Gespräch bleibt.

Welchen Erfolg erhoffen sie sich von Ihrem Besuch in Berlin?

Fortschritte bei der Arbeit an der neuen Irak-Resolution. So vieles verbindet uns. Wir haben so viele gemeinsame Interessen, die uns zueinander bringen können. Wir müssen die Probleme hinter uns lassen. Vierertreffen wie am 29. April in Brüssel, um neue Hauptquartiere, neue Strukturen zu beschließen – das erstaunt uns in einer Zeit, wo die Nato ihre Fähigkeiten verbessern müsste. Wozu neue Unterteilungen? Es ist besser, mit der Nato zu arbeiten.

Amerika hat Polen eingeladen, eine Verwaltungszone im Irak zu führen. Ist das eine Adhoc-Politik, weil Polen mitgekämpft hat, oder ein strategischer Ansatz: Amerika stützt sich künftig auf neue Partner in Europa?

Mit 25 EU- und 26 Nato-Mitgliedern wird es schwieriger, immer Konsens zu erzielen. Es wird wohl öfter Koalitionen der Willigen geben. Was Polen im Irak angeboten hat, ist eine ehrenvolle Geste, um den Menschen zu helfen. Polen verdient nicht Vorwürfe, es spalte Europa. Sondern: Bravo, Polen! Vielleicht führt das zu einer Rolle für die Nato.

Erwarten Sie, dass auch Deutschland Friedenssoldaten schickt?

Vor allem hoffen wir, dass Deutschland Ja sagt zur neuen Resolution. Wenn es sich außerdem für eine Beteiligung an der Friedensmission entscheidet, ob im Rahmen der Koalition oder der Nato, umso besser. Es gibt dort viele Aufgaben, auch zivile. Jeder Beitrag ist willkommen.

Wie hart geht Amerika mit Frankreich um?

Wir wollen gute Beziehungen zu Deutschland, zu Frankreich, zur Nato. Es waren Deutschland und Frankreich, die entschieden haben, eine Allianz gegen uns zu bilden. Wir wollen nicht die alten Schlachten schlagen, aber wir müssen das überwinden. Wir verlangen übrigens von niemandem, zwischen uns und anderen zu wählen.

Ihre Haltung zu Syrien?

Ich war vor zwei Wochen dort, mit einer klaren Botschaft. Saddam ist weg, es gibt kein kostenloses Öl mehr aus dem Irak, der Handel ist gestoppt. Wenn Syrien normale Beziehungen wünscht, darf es nichts tun, was im Irak oder im Nahost-Friedensprozess stört. Sie müssen ihre Politik ändern und die Unterstützung des Terrors beenden. Das geschieht nicht von heute auf morgen, aber wir sehen erste Schritte.

Amerika verlegt Truppen nach Osteuropa.

Es geht nicht um eine neue Aufstellung gegen jemanden. Wir prüfen, ob die Standorte der Weltlage entsprechen. Als Stabschef habe ich nach der deutschen Einheit 200 000 Mann mit Familien aus Deutschland abgezogen. Das Nato-Gebiet ist größer geworden, unsere Truppe kleiner. Wir brauchen neue Standorte und Ausbildungszentren, auch außerhalb der Nato. Die Details klären die Kollegen vom Pentagon. Aber es wird Änderungen geben.

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