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Politik: Koalitionsgespräche in NRW: Säbelrasseln vor der Einigung - Für Wohltaten gibt es in Düsseldorf kaum Spielraum

Der Mann sagte den Satz beiläufig. So beiläufig, dass fast unterging, wie viel Drohpotenzial in seiner Aussage steckt.

Der Mann sagte den Satz beiläufig. So beiläufig, dass fast unterging, wie viel Drohpotenzial in seiner Aussage steckt. "Die können ja manches beschließen", sagte er und fügte hinzu: "Aber wir schauen morgen früh über die Zahlen". Der Mann ist ein wichtiges Mitglied der Verhandlungskommission. Gefragt nach dem Stand der Koalitionsgespräche, antwortete er am Montag mit diesem Satz. Und dann wies er mit unüberhörbarer Süffisanz in der Stimme darauf hin, dass sich die roten und die grünen Finanzfachleute am Dienstag früh treffen, um zu beraten, was von den netten Ideen der Kolleginnen und Kollegen realisiert werden kann. Natürlich möchte der Mann seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. "Rote und grüne Finanzpolitiker sind sich einig", schob er nach, "es gibt nur neue Ausgaben, wenn vorher an anderer Stelle gespart wird".

Die Finanzpolitiker haben diesen Sachverhalt an die Runde der zehn Spitzenverhandler weitergereicht, die sich am späten Montag Abend in der Düsseldorfer Staatskanzlei bei italienischer Pasta trifft, um die letzten strittigen Fragen auszuräumen. Der Spielraum von Wolfgang Clement und Bärbel Höhn ist also außerordentlich gering, zumindest was neue Wohltaten in der kommenden Legislaturperiode betrifft. "Wir wollen die Nettoneuverschuldung auf unter fünf Milliarden Mark reduzieren", hatte der alte und vermutlich auch künftige Finanzminister Peer Steinbrück mehrfach vorgegeben und der grüne Finanzexperte Johannes Remmel hat ihn in diesem Punkt vehement unterstützt. Trotz neuer Milliardenlöcher durch die Steuerreform und Zwangsarbeiterentschädigung will das Land nach dem Willen der Finanzer die Nettoneuverschuldung um zwei Milliarden Mark senken.

Dabei haben die roten und grünen Fachpolitiker bisher Sonderwünsche von rund 580 Millionen aufgeschrieben. Mal wollen sie die Ganztagsbetreuung der Schulkinder verbessern, dann hat man den Polizisten versprochen, ihre Beförderungschancen zu erhöhen. "Das alles geht nur, wenn an anderer Stelle gespart wird", verlangen die Finanzfachleute vor der entscheidenden Runde am Dienstagmorgen. Da wird sich dann auch zeigen, was von den weitreichenden Plänen der Schulpolitiker übrig bleibt. Rote und grüne Koalitionäre sind sich einig, dass die Ganztagsbetreuung der Schulkinder verbessert werden muß. Zur Zeit gibt man dafür knapp 50 Millionen Mark pro Jahr aus, dieser Betrag soll um insgesamt 120 Millionen Mark steigen. Strittig ist allerdings, wie das zusätzliche Geld ausgegeben werden soll. Die Sozialdemokraten wollen mit diesen Mitteln möglichst viele Angebote schaffen, die Grünen setzen eher auf Qualität. Dabei wissen sie, dass eine höchsten Ansprüchen genügende Hortgruppe pro Jahr 250 000 Mark verschlingt, während einfache Betreuung in der Schule nur mit knapp 10 000 Mark im gleichen Zeitraum zu Buche schlägt. "Wir wollen den Eltern ein verlässliches Betreuungsangebot bieten, keine pädagogischen Extras", formuliert das einer der roten Unterhändler.

Ums Geld wird auch im Verkehrsbereich gerungen. Wolfgang Clement hatte zu Beginn der Verhandlungen eine Liste mit verschiedenen Lückenschlüssen an den Autobahnen auf den Tisch gelegt, davon will er nicht zurückweichen. In etlichen Punkten haben sich die künftigen Koaltionäre inzwischen geeinigt, das Muster ihrer Verständigung ist stets gleich. "Wenn wir da Lücken schließen, müssen wir an anderer Stelle etwas für Bus und Bahn tun", hatte Bärbel Höhn verlangt und Clement ist ihr gerne entgegengekommen. Die Autobahnprojekte wurden detailliert geprüft, hier und da wurden neue Anforderungen an den Lärmschutz formuliert. Der Lückenschluss zwischen der A 40, dem alten Ruhrschnellweg, der in der Realität morgens und abends nur noch einem Ruhrschleichweg entspricht, und der Autobahn 4 wird zwischen den Koalitionären fest verabredet. Man verlangt allerdings, dass zusätzliche Kilometer in einem Tunnel durch dichtbesiedelte Stadtflächen im Essener Norden führen; für die Mehrkosten müßte die Bundesregierung aufkommen.

Strittig bleibt bis zur vermutlich letzten Runde am späten Dienstag Abend, wie die Ministerien zugeschnitten werden. Bärbel Höhn wird die Landesplanung verlieren, dafür erhält sie zusätzliche Kompetenzen im Verbraucherschutz. Unklar ist, ob Michael Vesper in das Wissenschaftsministerium wechselt, da sein altes Bauministerium als eingenständiges Haus aufgelöst werden wird, weil er die Bauverwaltungen weitgehend privatisiert hat. Um ihre eigene Verhandlungsposition bis zuletzt zu erhalten , hat Bärbel Höhn am Montag noch einmal mit dem Säbel gerasselt. "Die Gespräche können noch scheitern", sagte sie mehrfach. Intern hatte sie allerdings längst signalisiert, dass man rein sachlich so nahe beieinander ist, dass dieser Fall eher unwahrscheinlich ist. Vermutlich will sie ihrer kritischen Basis signalisieren, dass sie bis zum Ende wie eine Löwin gekämpft hat.

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