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Stürmische Zeiten nach der Wahl: Wohin steuert Griechenland?

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Update

Koalitionspoker in Athen: Griechischer Präsident für Expertenregierung

Griechenlands Staatspräsident Karolos Papoulias bemüht sich um die Bildung einer Expertenregierung. Währenddessen positionieren sich die EU-Finanziminster deutlich: Sie wollen Griechenland in der Währungsunion halten.

Neue Hoffnung für Griechenland: Staatspräsident Karolos Papoulias hat zur Lösung der politischen Krise die Bildung einer Expertenregierung vorgeschlagen. Sie solle von möglichst vielen der im Parlament vertretenen Parteien unterstützt werden, sagte Sozialistenführer Evangelos Venizelos am Montag nach einem Treffen des Präsidenten mit den Vorsitzenden der Konservativen, Sozialisten und der kleineren Partei Demokratische Linke (Dimar).

Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Staatspräsidentschaft erfuhr, will sich Papoulias an diesem Dienstag mit allen Parteichefs - mit Ausnahme der Faschisten - treffen. Scheitern diese Gespräche, dürften Neuwahlen am 10. oder 17. Juni kaum noch abzuwenden sein. Nach der Wahl vom 6. Mai könnte sich das Parlament bereits an diesem Donnerstag wieder auflösen. Dann wäre der Weg frei für Neuwahlen. Allerdings zeichnet sich nach Umfragen auch dann keine Mehrheit ab, die den vereinbarten Reform- und Sparkurs mitträgt. Dimar-Chef Fotis Kouvelis bestätigte, dass der Vorschlag für eine Expertenregierung auf dem Tisch liegt. Seine Partei spreche sich jedoch weiterhin für eine politische Regierung aus, sagte er. Er werde auch am Dienstag diese Position vertreten.

Die griechischen Koalitionsverhandlungen in Bildern

Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, sagte, er werde weiterhin alles für die Bildung einer Regierung tun. Eventuell könnte diese Regierung auch von der Rechtspartei der Unabhängigen Griechen unterstützt werden. Zur Bildung einer Expertenregierung meinte Samaras: „Wir sagen zunächst nicht Nein.“ Das Treffen wird nach Angaben von Samaras um 13.00 MESZ stattfinden. Zuvor wollte Papoulias den Chef der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, treffen. Kammenos erklärte am Abend, dem Land drohe nationale Gefahr, deshalb würden die 33 Abgeordneten seiner Fraktion eine Expertenregierung für eine bestimmte Zeit „dulden“. Konservative, Sozialisten und Dimar stellen zusammen 168 der 300 Abgeordneten im Parlament. Allerdings hatte Dimar eine Beteiligung an der Regierung davon abhängig gemacht, dass diese auch die Radikallinken einschließt.

Gleichzeitig hat sich die Eurogruppe klar positioniert: Griechenland soll Mitglied bleiben. "Es ist unser unerschütterlicher Wille, dass Griechenland in der Eurozone bleibt“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am späten Montagabend nach Beratungen in Brüssel. Ein Ausstieg sei kein Thema in der Sitzung gewesen. „Keiner hat in dieser Richtung argumentiert.“ Eine neue Regierung in Athen muss nach dem Willen der Eurostaaten die vereinbarten Spar- und Reformziele einhalten. „Das ist nicht die Zeit, bei den Reformanstrengungen nachzulassen“, sagte der luxemburgische Premier- und Schatzminister.

EU-Währungskommissar Olli Rehn pochte darauf, dass Athen seine Haushaltsziele respektiert. „Wir erwarten, dass die Verpflichtungen eingehalten werden.“ Juncker schloss nicht aus, dass unter außergewöhnlichen Umständen Fristen für Athen verschoben werden könnten - dazu müsse es jedoch erst einmal eine Regierung geben. Das Thema Verschiebung sei auch nicht von den Ressortchefs debattiert worden.

Schlüsselfigur ist der Vorsitzende des Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras. Ohne die zweitstärkste Kraft im Parlament ist eine stabile Regierung kaum machbar. Eine Teilnahme an den für den Abend geplanten Koalitionsgesprächen lehnte Tsipras ab.

Dreh- und Angelpunkt bleibt aber die schwierige Regierungsbildung in Griechenland. Wie es aus Kreisen der Radikallinken am Abend hieß, will Tsipras allerdings an den Beratungen über eine Expertenregierung am Dienstag teilnehmen. Seine Partei könnte nach Umfragen im Falle von Neuwahlen damit rechnen, noch vor den Konservativen stärkste Kraft im Parlament zu werden. Jedoch zeichnet sich auch bei Neuwahlen keine Mehrheit ab, die den Reform- und Sparkurs mitträgt. Davon machen Europäer und der Internationale Währungsfonds (IWF) weitere Zahlungen abhängig. Griechenland hat nach Angaben des Finanzministeriums in Athen nur noch Geld bis Mitte Juni. Danach drohen endgültig die Pleite und ein Austritt aus der Euro-Zone.

Der Chef des Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, nahm nicht an dem abendlichen Treffen beim Präsidenten teil. Wie es aus Kreisen der Radikallinken hieß, werde Tsipras jedoch zum Treffen für die Expertenregierung erscheinen. Es galt zugleich als sicher, dass er eine Expertenregierung ablehnen werde.

Syriza könnte nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage damit rechnen, bei Neuwahlen noch einmal zuzulegen und mit 20,5 Prozent der Stimmen noch vor den Konservativen mit 19,4 Prozent stärkste Kraft im Parlament zu werden. Die Linksradikalen fordern, alle Sparmaßnahmen sofort einzufrieren, weil das Volk den Gürtel nicht noch enger schnallen könne. Konservative, Pasok und Dimar wollen mit der EU verhandeln und lehnen einseitige Schritte ab. Sie argumentieren, dass eine Mehrparteienregierung den Geldgebern besser erklären könne, dass „endloses Sparen keinen Sinn mehr macht“.

Europäer und Internationaler Währungsfonds (IWF) machen weitere Zahlungen allerdings vom Sparkurs Griechenlands abhängig. Das Land hat nach Angaben des Finanzministeriums in Athen nur noch Geld bis Mitte Juni. Danach drohen endgültig die Pleite und ein Austritt aus der Euro-Zone. Bei einer von der Zeitung „Eleftheros Typos“ veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Rass meinten 58,7 Prozent der Befragten, Tsipras sei verantwortlich dafür, dass es bislang nicht gelungen ist, eine neue Regierung zu bilden. 81 Prozent sprachen sich für den Verbleib Griechenlands im Euroland aus. 66 Prozent der Wähler forderten, die Politiker sollten sofort eine Koalitionsregierung bilden. (dpa)

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