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Koalitionsstreit: Hiebe und Liebe

Komische Koalition: Steinmeier und Müntefering greifen Angela Merkel in der Presse an - und die Bundeskanzlerin lobt und dankt der SPD.

Von Antje Sirleschtov

Als Angela Merkel am Donnerstagmorgen den Bundestags-Plenarsaal betritt, scherzt sie ausgelassen mit ihrem Begleiter. Lange, sehr lange, werden die beiden auch später noch mit heiterer Miene zusammenstehen. Gleich wird die Bundeskanzlerin in einer Regierungserklärung die gemeinsamen Erfolge der großen Koalition bei der Bekämpfung der Konjunkturkrise und der Neuregelung der internationalen Finanzmärkte loben. Sie wird sogar Peer Steinbrück, dem SPD-Finanzminister, im Steueroasen-Streit mit der Schweiz demonstrativ beispringen.

Und hätte es just an diesem Donnerstagmorgen nicht zwei aufsehenerregende Zeitungsinterviews gegeben, man könnte glatt auf die Idee kommen, dass da vorn im Reichstag zwei Politiker nebeneinander stehen, die einträchtig miteinander in einer Koalition regieren und im Angesicht der Krise das Schlimmste von den Deutschen fernhalten wollen: Die CDU-Kanzlerin und ihr Vizekanzler von der SPD, Frank-Walter Steinmeier.

Aber es hat diese Interviews gegeben. Und kaum jemand, der sie gelesen hat, käme danach noch auf den Gedanken, dass diese beiden Koalitionspartner bis zum Ende der Legislaturperiode noch sehr viel Sinnvolles miteinander vereinbaren können.

Frank-Walter Steinmeier, auch Kanzlerkandidat der SPD, und der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering haben darin die Regierungschefin so deutlich wie nie zuvor in den gemeinsamen Regierungsjahren kritisiert. Nicht mehr Kanzlerin, sondern nur noch „Geschäftsführerin“ der Regierung sei sie, wirft ihr Müntefering in der „Financial Times Deutschland“ vor. Und Steinmeier stellt sogar Merkels Engagement infrage, auf internationaler Ebene die Folgen der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise zu bekämpfen und für neue globale Finanzmarktregeln zu sorgen.

Merkels internationale Auftritte seien unglaubwürdig, sagte Steinmeier der „Berliner Zeitung“. Weil sie im Inland zulasse, dass etwa das Gesetz gegen Steuerflucht blockiert werde. Für den Wahlkämpfer Steinmeier ein klares Zeichen dafür, dass Merkel „mutige Führung“ vermissen lässt.

Die heftigen Attacken der SPD-Spitze – sechs Monate vor der Bundestagswahl – zielen direkt auf zwei für die Bundeskanzlerin wichtige Termine in den kommenden zwei Wochen ab: Das Treffen der EU-Regierungschefs am Ende dieser Woche und das Treffen der G 20 Anfang April in London. Hier wie dort will Merkel unter Beweis stellen, dass sie nicht nur Lehren aus der Finanzkrise gezogen hat, sondern auch eine Neuordnung der globalen Finanzwelt auf internationaler Ebene durchsetzen kann.

Mit keinem Wort, mit keiner Geste, ging Merkel während ihrer halbstündigen Regierungserklärung auf die konzentrierten Anwürfe des Koalitionspartners ein. Ganz im Gegenteil. Demonstrativ stellte sie sich hinter die Bemühungen ihres SPD-Finanzministers, europäische Länder, die mit ihren Gesetzen Steuerflüchtlingen Unterschlupf gewähren, bloßzustellen. Allein „Ross und Reiter“ zu nennen habe zu einem Einlenken der betroffenen Länder geführt, etwa der Schweiz. Als sie auf die Notwendigkeit zu sprechen kommt, die internationalen Klimaschutzvereinbarungen in der Wirtschaftskrise nicht schleifen zu lassen, wendet sie sich ausdrücklich dem sozialdemokratischen Umweltminister Sigmar Gabriel zu. Und persönlich dankt Merkel schlussendlich auch noch dem SPD-Fraktionschef Peter Struck dafür, dass er es unter dem Druck der Finanzkrise geschafft hat, in der Föderalismuskommission eine Schuldenbremse für den Staat durchzusetzen.

Den Streit der Koalitionspartner (insbesondere um die Verschärfung der deutschen Gesetze gegen Steuerhinterziehung) konnte dann allerdings doch noch besichtigen, wer wollte. Er wurde am späteren Vormittag ausgetragen – von den Finanzpolitikern der Fraktionen. Die Kanzlerin war da schon auf dem Weg zum EU-Gipfel nach Brüssel.

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